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von Niki Vogt
Zuerst einmal sind die obelisken-ähnlichen Metallsäulen, die seit drei Wochen plötzlich überall auf der Welt auftauchen, keine Monolithen. Das Wort bedeutet nämlich, dass es ein freistehender, großer Stein ist (mono=allein, einzeln und Lithos =Stein). Aber sind wir mal nicht so pingelig. Also: Was hat es mit diesen Metallstelen auf sich? Sie sind alle sehr ähnlich, eine blanke, silbrige Metallsäule von etwa drei Metern Höhe mit dreieckigem Grundriss. Aber ihre Bauweise und das Material sind unterschiedlich. Von futuristisch mit Spiegelglanz bis zu einer Aluplattenkonstruktion auf einem Holzgestell als Kern. Von perfekt bis Heimwerkerqualität. Doch haben sie etwas zu bedeuten?
Angefangen hat es damit, dass das Naturreferat des Bundesstaates Utah nachzählen wollte, wie viele Dickhornschafe dort in der Wüste leben. Mitte November flogen die Biologen mit einem Hubschrauber über die Landschaft dahin und zählten die Herden, die sie überflogen, als sie die dreieinhalb Meter hohe, silbrige Stele vor einem Felsmassiv entdeckten. Einsam irgendwo im Nirgendwo erschien sie so deplatziert, dass sofort Vermutungen von „Aliens“ die Runde machten. Sie war sorgfältig gemacht und sieht wirklich so fremd aus, wie sie da in der Sonne glänzt, dass sie tatsächlich wirkt, wie aus einer anderen Welt. Nur die Baumarkt-Standard-Verschraubungen machen klar, dass hier keine Aliens am Werk waren.
Aufnahmen von Google Earth zeigen, dass die Stele schon 2016 dort installiert war. Die Behörde in Utah veröffentlichte Videos von der Stele und witzelte dazu „Es ist illegal, ein solches Bauwerk auf öffentlichem Grund zu errichten, egal, von welchem Planeten man stammt“. Man hielt den Ort geheim, um zu verhindern, dass sich Leute dorthin aufmachen, sich vielleicht in der Wüste verirren und in Gefahr geraten. Dennoch waren die Koordinaten schnell allgemein bekannt und ganze Pulks machten sich auf den Weg zu dem „Dingsda“ in der Wüste. Viele kamen zu spät, denn plötzlich, über Nacht war es wieder weg.
Dafür tauchten nun in kurzer Folge immer neue „Dingsdas“ auf. Zum Beispiel einige Tage später in den Karpaten, auf einem Hügel in Nordrumänien. Wollte Dracula ausprobieren, ob er, der als Vampir ja kein Spiegelbild hat, in einer solchen, mysteriösen Säule doch sein Spiegelbild erblicken kann? Wie auch immer, auch dort verschwand die Stele auf ebenso rätselhafte Weise, wie sie aufgetaucht war. Im Unterschied zu der Stele in der Wüste hatte dieses Dingsda „eingravierte Spiralen“ an den Seiten. Jeder Heimwerker sieht allerdings, dass dieses Muster mit einem Tellerschleifgerät aufgebracht worden war.
Viele machten sich über die Stele lustig „nur irgendein alter Metallschrott, den jemand hier abgelegt hat“ sagte in einem Fernsehbericht ein Mann, der neben der Stele stand. Ein Facebooknutzer Alexandru schrieb: „Wir sind nicht einmal in der Lage, etwas richtig nachzumachen.“
Als nächstes stand plötzlich ein solches Dingsda in Kalifornien, im Atascadero-Park zwischen San Francisco und Los Angeles. Wenige Tage später haben es angeblich junge Männer zerstört:
Nicht lange darauf tauchte eine vierte Metallsäule im Joshua Tree National Park in Kalifornien auf.
Ein weiteres Objekt dieser Art wurde am 4. Dezember in Fayetteville, West-Virginia, am Wolf Creek, mitten in der gottverlassenen Wildnis entdeckt. Es ist relativ klein, kaum über mannshoch, aber gut gearbeitet:
Dann schien der „Dingsda“-Zirkus in Europa um sich zu greifen. Die nächste, dreieckige Stele erschien am 6. Dezember auf der „Isle of Wight“, Großbritannien. Diese Säule ist allerdings richtig verspiegelt und hat eine wesentlich steilere Spitze. Eine Deluxe-Ausführung (am Anfang des Videos):
Das nächste Objekt tauchte, ebenfalls am 6. Dezember, im niederländischen Kiekenberg-Naturschutzgebiet auf:
Am 07. Dezember findet man in einem Feld bei Sulzbach im Frankfurter Raum, nicht weit von einem Einkaufszentrum wieder so eine Stele:
Holger Klink, Pressesprecher der Gemeinde Sulzbach, äußert gegenüber der „Hessenschau“ zumindest einen eindeutigen Verdacht: „Er ist nicht von Outer Space. Die Holzkonstruktion aus dem Inneren ist sehr irdisch.“ Es könne also neben diversen Weltraum-Theorien auch eine irdische Erklärung für das mysteriöse Auftauchen des „Monolithen“ von Sulzbach geben. Mittlerweile wurde er dort demontiert und liegt am Wegesrand. Auch hier ist nicht klar, wer ihn aufgestellt hat.
Mittlerweile „trauen“ sich die Metallsäulen immer näher an die Menschen heran. Am 8. Dezember steht quasi aus dem Nichts eine solche, spiegelnde Metallsäule vor einem Beleuchtungsgeschäft in Kristiansand in Norwegen, um kurz darauf auch wieder zu verschwinden.
Und am selben Tag ploppte auch in Spanien, im Örtchen Ayllón, Provinz Segovia, eine solche Stele in den Ruinen einer alten Kirche von Santiago auf. Nun ist es mitten in einem Gebäude am Ortsrand. Es ist ein relativ kleines Exemplar und auch nicht besonders gut gemacht.
Die Frage stellt sich, was das Ganze soll. Zwischen Aliens und Künstler oder einen Zusammenhang mit Corona und das „Nachdenken über das eigene Weltverhältnis“ schillern die Erklärungen. Auch an den Science Fiction Film „2001: Odysse im Weltraum“ fühlt sich mancher erinnert. Dort spielt ein ähnlich aussehendes Objekt, eine schwarze Steinsäule eine Rolle, die der Zuschauer auch auf verschiedene Weise interpretieren kann.
Die Metallsäule in Uta soll von dem Künstlerkollektiv „The most famous Artist“ stammen, das sich auch auch im Anschluss dazu bekannte. Ob es zutrifft, oder das Kollektiv einfach auf den Zug aufgesprungen ist, ist nicht klar.
Wahrscheinlicher scheint es nämlich, dass die Metallsäule von dem Bildhauer John McCracken stammt. der nach Angaben des Guggenheim-Museums sehr ähnliche, frei stehende Objekte in Form von Pyramiden, Würfeln oder Polyedern anfertigte. McCracken starb 2011 – doch sein Sohn Patrick erzählte der „New York Times“, sein Vater habe ihm bereits im Jahr 2002 gesagt, „er würde gerne Kunstwerke an abgelegenen Orten aufstellen, damit sie später entdeckt werden“.
Die meisten der „Monolithe“ aus Metall sind aber aufgrund der so unterschiedlichen Machart, Größe und Qualität sehr wahrscheinlich von völlig unterschiedlichen Akteuren hergestellt und platziert worden.Wenn es etwas Elitäres, Gelenktes wäre, wären die Objekte sehr hochwertig, sähen alle gleich aus oder hätten ein System innerhalb der Variationen. Den Eindruck macht es aber nicht. Eine zentrale Steuerung scheint daher nicht dahinter zu stehen. Es ist eine Art Bewegung, die möglicherweise noch nicht einmal einer Absprache unter den Akteuren bedarf. Es ist etwas, das bestimmte Menschen anspricht. Mit einer simplen Konstruktion anonym aus dem Nichts, die Andere in Erstaunen, Verwunderung und Rätselraten versetzt, übt einen nicht geringen Reiz aus. Es hat etwas von Guerilla-Taktik ohne aggressiv zu sein.
Es könnte, das ist eine rein gefühlsmäßige Wahrnehmung, vielleicht eine Art (unbewusste?) Machtdemonstration von unten sein: „Es gibt uns Menschen, die Dinge tun und über Nacht in die Welt setzen, mit denen Ihr da oben nicht rechnet. Wir brauchen keine digitale Kommunikation. Wir verstehen die Zeichen ohne Worte und ziehen es durch. Ihr könnt nicht alles überwachen. Wir handeln autonom, überall, und es ist nicht zu verhindern. Und wir sind schneller weg, als ihr uns kriegen könnt. Heute sind es die „Monolithen“. Was es morgen sein wird, wisst Ihr nicht. Wir sind Legion. Rechnet mit uns.“
Dieser Artikel erschien zuerst auf der Seite DieUnbestechlichen.com