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von Niki Vogt
Altbundeskanzler Helmut Schmidt tat einmal den Ausspruch !Wer miteinander handelt, schießt nicht aufeinander“. Aber so einfach ist das leider nicht. Denn es gibt immer den Dritten, dem das Geschäft entgeht. Das erfahren wir zur Zeit mit Nordstream 2. Der „Große Bruder über’m Teich“ wacht eifersüchtig darüber, dass Europa sich nicht allzu gut mit Russland versteht. Das hat nicht nur wirtschaftliche Gründe, sondern vor allem geopolitische. In genau dieselbe Kerbe haut nun der russische Impfstoff. Nicht nur könnte er den Impfstoffmangel beheben, er würde auch den eurasischen Wirtschaftsraum wieder mehr zusammenführen. Nicht zur Begeisterung der USA.
Da hat man in den USA den Herrn Nawalny mit allen Mitteln gepampert – allerdings nicht mit nennenswertem Erfolg. Der Mann erfreut sich kaum irgendeiner Beliebtheit oder Signifikanz in Russland. Immerhin provozierte Deutschland befehlsgemäß einen diplomatischen Eklat um diesen rechtsextremen Möchtegernpopulisten. Nun aber kommt Sputnik V. Scheinbar geht es bei der Einführung und Produktion des Impfstoffes in Europa nur um medizinische und technische Fragen. Tatsächlich aber spielen hier noch ganz andere Dinge eine Rolle.
Politische Bedenken und Tauziehen um die Zulassung in Europa
Ein bisschen zickte man Anfangs noch herum. Missverständnisse um Testphasen und Zulassungen verzögerten die Sache. Dann war aber auch der letzte Kritikpunkt ausgeräumt. Im Februar 2021 erschien ein Bericht in dem renommierten Wissenschafts-Fachmagazin „The Lancet“ (das Skalpell), das die Ergebnisse des Phase III-Tests zur Sicherheit des Impfstoffes Sputnik V veröffentlichte. Die Daten von 20.000 Geimpften wurden ausgewertet und analysiert, die Resultate entsprachen den von Russland aus eigenen Tests und Evaluationen publizierten Daten. Der Lancet-Bericht vergab die beste Bewertung, die je ein Corona-Impfstoff erhielt. Sputnik V scheint der bestbewertete Impfstoff auf dem Markt zu sein. Insbesondere, da es bisher keinerlei Berichte über ernstere Nebenwirkungen gibt. Mit einer Wirksamkeit von 91,8 % ist er also nicht nur wirksamer als alle anderen, er ist auch noch verträglicher. The Lancet bescheinigte dem russischen Impfstoff eine Wirksamkeit von 91,6 Prozent gegen symptomatische COVID-19-Fälle.
Nachdem die Bundesregierung nun plötzlich Gespräche mit der russischen Regierung führte, um Lizenzen zur Produktion des Impfstoffs auch in Deutschland zu erhalten, und Russland die Zulassung in der EU beantragte, scheint der Weg frei zu sein. Dennoch holpert es und will nicht so recht vorwärts gehen. Der EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton beschied rotzig: „Wir benötigen Sputnik nicht“. Die EU würde bis Mitte Juli durch Massenimpfungen eine weitgehende Immunisierung erreichen. Der Tagesspiegel schreibt:
„Zudem haben „die Russen Probleme, genug zu produzieren“, begründete Breton seine Absage an „Sputnik“. Wenn die EU Moskau „mit ein oder zwei Produktionsstätten aushelfen kann“, spreche nichts dagegen. Für die EU selbst komme es darauf an, „dass wir die Impfstoffe, die bereits zugelassen sind, in Massen produzieren und anwenden.“
Und der Tagesspiegel fragt verständnislos:
„Was sind die Hintergründe für diese Diskrepanz zwischen der politischen Promotion von „Sputnik“ in Deutschland und der Einschätzung auf EU-Ebene, dass der russische Impfstoff weder jetzt aktuell noch auf mittlere Sicht bis zum Sommer einen Ausweg aus dem Engpass bietet?“
Denn mittlerweile haben Ungarn, Serbien, und demnächst auch Tschechien den russischen Impfstoff akzeptiert. Weltweit ist er in mehr als 40 Ländern bereits zugelassen. Der Russian Direct Investment Fund (RDIF) — das Gremium, das sich um die Vermarktung des Impfstoffes kümmert — gab am Mittwoch in einer Pressemitteilung bekannt, an welche Nationen geliefert wird.
Diese Länder bekommen von Russland den Impfstoff Sputnik V geliefert:
- In Europa: Russland, Belarus, Serbien, Slowakei, Ungarn, Armenien, Montenegro, San-Marino, Moldawien.
- In Asien: Turkmenistan, Pakistan, Kasachstan, Usbekistan, Syrien, Kirgisistan, Myanmar, Syrien, Mongolei, Sri Lanka.
- In Südamerika: Argentinien, Bolivien, Venezuela, Paraguay, Mexiko, Nicaragua, Guyana, St. Vincent und die Grenadinen, Honduras, Guatemala.
- In Afrika: Algerien, Angola, die Republik Kongo, Dschibuti, Republik Guinea, Tunesien
- Im nahen Osten: Vereinigte Arabische Emirate, Iran, Bahrain, Libanon, Gabun, Ägypten, Ghana.
Der Impfstoff ist auch von der palästinensischen Behörde und von einer Teilrepublik in Bosnien und Herzegowina, der Republik Srpska, zugelassen worden, heißt es in der Presseerklärung. Kirill Dmitriev, der Vorstand des RDIF erklärte in einem Interview mit der englischsprachigen Zeitung Arab News am 18. Januar.: „Unsere Priorität ist der Nahe Osten, Lateinamerika, Asien, Afrika, jene Länder, die sehr interessiert sind, Sputnik zu erhalten“.
Impfstoff und Geopolitik
Zwar besuchte der EU-Spitzendiplomat Joseph Borrell Anfang Februar Moskau und nannte Russlands Impfstoff eine „gute Nachricht für die Menschheit“. Doch die proaktive Impfstoffpolitik Russlands wird im Westen nicht ohne Grund mit Misstrauen beäugt:
„Es scheint so, als wolle Russland aus den Werbemöglichkeiten, die sein Impfstoffvertrieb bietet, Kapital schlagen. Und das oft mit einer gewissen Theatralik: Das Szenario ist praktisch in fast allen Ländern das gleiche. Journalisten werden auf die Start- und Landebahnen von Flughäfen eingeladen, um das Abladen von Impfstoffkisten zu beobachten, die mit dem Sputnik V und dem RDIF-Logo versehen oder mit einer russischen Flagge drapiert sind.“
Erstaunlicherweise sind es aber gerade Deutschland unter Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel und Frankreich unter Präsident Emmanuel Macron, die plakativ Offenheit gegenüber dem russischen Impfstoff bekunden. Die Bundesregierung ließ Moskau wissen, man wolle auch gern bei der Einrichtung von Produktonsstätten für Sputnik V helfen, Frankreich zeigt sich ebenfalls sehr kooperativ, Jens Spahn sprach sogar schon von einem möglichen Alleingang Deutschlands, sollte die europäischen Zulassungsbehörde EMA Sputnik V die Zulassung verweigern.
Die Affinität Europas zu einem gemeinsamen, blühenden Eurasien zeigt sich – zum Leidwesen der Atlantiker – immer deutlicher entlang der politischen Trennlinien. So sagte die Chefin der eher russlandfreundlichen Front national, Marine Le Pen: „Jetzt, wo es keinen Zweifel mehr an der Wirksamkeit des russischen Sputnik-V-Impfstoffs gibt […], sollte Frankreich mit Russland zusammenarbeiten und nicht zulassen, dass die antirussische Ideologie unsere Fähigkeit, unsere Landsleute zu impfen, ruiniert!“
Dagegen tönt es aus dem traditionell russlandfeindliche Polen ganz anders: „Aus politischen Gründen werden Polen, die Ukraine oder die baltischen Staaten den Impfstoff nicht von Russland bekommen. Wenn man die Konditionalität einer solchen Hilfestellung kennt, können die [politischen] Nebenwirkungen schlimmer sein als das Medikament selbst“, meint Prof. Agnieszka Legucka, Expertin für russische Außenpolitik. Und sie fügt hinzu: „Polen und andere Länder wiesen darauf hin, dass Russland mit seiner Corona-Diplomatie das Image der EU angreift und ihre Fähigkeiten beim Krisenmanagement untergräbt. [Russlands] zweite Priorität ist die Aufhebung oder Lockerung der Sanktionen.“
Ohne Zweifel wäre ein großer Erfolg für den russischen Impfstoff und eine Zulassung durch die EMA auch ein Schub für Russlands Image.
Das Projekt „Neue Seidenstraße“ ist ohne Europa für Russland halb soviel wert
Das erinnert nicht zufällig an Berlins Kampf um Nordstream 2 und an das Ringen um Einfluss in der Ukraine. Hier geht es offenbar sehr wohl um ein Tauziehen zwischen den Atlantisch orientierten Kräften und einer eurasischen Handelsgemeinschaft, kurz: Das Projekt Seidenstraße von Europa über Russland nach China und weiter hinunter nach Afrika ist doch zu verlockend und bringt den bereits kooperierenden Ländern sichtbare Vorteile. Es geht sowohl um wirtschaftliche Vorteile, aber auch um das politische Gewicht im Weltgeschehen.
Darum geht es auch Russland in erster Linie. Jede weitere Verflechtung mit Europa stärkt Russlands Position in der Welt. Für Russland geht es um sehr viel, und ein hochintelligenter Präsident, wie Wladimir Putin kennt seine Karten – und die der anderen.
Russland steht auf gutem Fuß mit China. Das stärkt zwar seine Position. Aber Präsident Putin weiß auch, genau wie seine Russen, dass China in erster Linie in chinesischem Interesse handelt. Und im Zweifelsfalle hätte Russland keine Chance gegen diesen Giganten. Die russische Föderation ist also der kleinere Partner in diesem Gespann.
Die EU ist zwar immer noch wirtschaftlich ein global wichtiger Faktor, allerdings hauptsächlich wegen Deutschlands Wirtschaftskraft. Diese beruht aber auf seinem gesunden Mittelstand – und der wird durch die Corona-Maßnahmen gerade vernichtet. Er würde aber, wie Phoenix aus der Asche wieder auferstehen, wenn die Bedingungen sich wieder ändern. Das werden sie früher oder später, allen NWO-Plänen zum Trotz. Bidens USA hat durchaus Interesse daran, die EU und vor allem Deutschland für Russland uninteressant zu machen. Eine Neue Seidenstraße bis Portugal ist überhaupt nicht im Interesse der USA, denn die stünden außen vor.
Aber sehr wohl im Interesse Russlands. Denn wenn sich die Handelsbande enger knüpfen lassen, würde Moskau die deutschen Fähigkeiten fördern und nützen und die geopolitisch eher unterbelichtete, weil unter „westlichem“ Kuratell stehende EU könnte wirtschaftlich aufblühen. Sie würde der durch Russland führenden Seidenstraße pulsierendes Leben einhauchen und Russlands Position gegenüber China enorm stärken. Für Europa wäre das eine Vitalitätskur, für Russland ein enormer, geopolitischer Machtzuwachs.
Die USA sind – gerade unter (Noch-)Präsident Biden und (Bald-Präsident) Harris – auf dem absteigenden Ast, was sich schon abzeichnet. Die von ihnen betriebene öko-kommunistische Agenda des WEF für die Welt würde Stalins Sowjetunion wie ein Ferienparadies aussehen lassen. Russland und China, wie die gesamte Seidenstraße sind aber auf Handel ausgerichtet. Sie wollen Produkte und Konsumenten und Wohlstand, keine arbeitslosen Sklaven, die nichts verbrauchen dürfen, nicht reisen, kaum Licht anmachen, kein Auto fahren und nichts besitzen dürfen.
Dass wir vor einem globalen Paradigmenwechsel stehen, ist wohl jedem klar. Auch in den USA begreifen manche Gouverneure das. Einige Bundesstaaten haben schon fast alle Corona-Eindämmungsmaßnahmen aufgehoben und das Leben läuft wieder fast vollkommen frei, die Wirtschaft blüht auf. Das sieht auch der Rest der Welt. Hier in Europa verharrt die Politik noch im Corona-Horror und will jetzt sogar den vollkommenen Lockdown verhängen. Doch überall gehen die Menschen trotz brutaler Polizeigewalt auf die Straße. Das Rebellionspotential wird explodieren, sobald die Konsequenz dieser Politik, die echte Not, sichtbar, fühlbar und schlagend wird.
Es könnte sein, dass Russland und China und die Staaten des „One Road, one Belt“-Projektes Europa ein Angebot machen, das es kaum ausschlagen will und kann. Die Corona-Pandemie könnte sich gegen ihre Erfinder wenden.
Lawrence Gostin, Professor für Medizin an der Georgetown University und Leiter des WHO Collaborating Center on National and Global Health Law sieht im geopolitischen Vorteil das Hauptmotiv Russlands, aber auch eine weitere Strategie: „[Russland] versucht wirklich, seine technologische Stellung in der Welt zu verbessern. Auf diese Weise will es zeigen, dass Russlands technologische Fähigkeiten denen des Westens ebenbürtig sind.“