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von Wolfgang van de Rydt
Es war ein strahlender Sommertag, doch den Menschen in Bad Neuenahr ist das Lachen vergangen. Kaum hat man das Ortsschild passiert, wird man mit großen Hinweistafeln auf die kostenlosen Covid-Tests und Impfstraßen aufmerksam gemacht. Aber dort drängelt sich keiner vor.
In der Altstadt sind die Schäden enorm. Es riecht nach Schlamm und Fäkalien, möglicherweise ist auch Leichengeruch darunter vermischt. Überall wird fleißig aufgeräumt. Es sind private Helfer, die das alles möglich gemacht haben. Staatliche Strukturen haben versagt. Mehr als sieben Meter hoch soll das Hochwasser der kleinen Ahr gewesen sein. Die Brücke zur Altstadt haben die Fluten einfach mitgerissen. Man begreift das Ausmaß der Schäden erst, wenn man es wirklich mit eigenen Augen sieht.
Der Wiederaufbau würde Jahre benötigen, erklärt uns einer der Helfer, die den Abgrund sichern. Zuvor hat uns ein Mann angesprochen, ob wir „Katastrophentouristen“ seien. Als wir ihm erklären, dass wir freie Journalisten sind und gleichzeitig Hilfsgüter anliefern, ändert sich seine Stimmung. Gerne würde er uns sein Herz vor der Kamera ausschütten und schildern, wie die Menschen in dem Krisengebiet allein gelassen worden sind, doch er hat einen dringenden Termin.
Überhaupt sind die Menschen sehr freundlich. Eine alte Dame erzählt, sie habe 1000 € Soforthilfe bekommen, ansonsten sei man auf sich alleine gestellt. Ohne die privaten Helfer geht nichts. Wir kommen mit mehreren Leuten ins Gespräch, die uns den Weg zum anderen Flussufer zeigen, wo Helfer seit Wochen die Anwohner mit Essen und Kleidung versorgen. Bei ihnen wird unsere Ladung gerne angenommen.
Der Organisator nimmt sich Zeit für uns und erklärt sich zu einem Interview bereit, das morgen erscheint. Medien und Politik hätten schnell wieder das Interesse an den Flutopfern verloren. Für die Menschen zählen im Augenblick ganz andere Dinge. Heizungen soll es erst wieder im April nächsten Jahres geben. Wie dann den Winter überstehen? Fragen, auf die zurzeit niemand eine Antwort hat.