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von Edgar L. Gärtner
„Global Warming“ ist nun schon seit Jahrzehnten in aller Munde. Mit „Global Greening“ beschäftigen sich Umwelt- und Klimaforscher hingegen erst seit einigen Jahren. Die Massenmedien haben das Schlagwort bislang noch kaum aufgegriffen.
Abb.1: Jährliche biophysikalische Sensivität der Bodentemperatur als Funktion des Blattflächen-Index (LAI) 2002-2018
Wie auch bei EIKE berichtet, musste ich mich vor nunmehr fast vier Jahren im Rahmen der Anhörung eines Ausschusses des Deutschen Bundestages etwas intensiver mit diesem Thema beschäftigen. Im April 2016 hatte ein internationales Team von insgesamt 32 Wissenschaftlern aus acht Ländern die Auswertung der Messungen des Moderate Resolution Imaging Spectrometers (MODIS) der NASA und des Advanced Very High Resolution Radiometer Instruments der NOAA (US National Oceanic and Atmospheric Administration) zwischen 1982 und 2009 publiziert (Zaichun Zhu et al., in: „Nature Climate Change“ ). Das Ergebnis machte zumindest in einigen Medien Schlagzeilen: Denn die Erde ist im untersuchten Zeitraum deutlich grüner geworden, auch wenn einige braune Flecken sichtbar blieben. Für Kollegen in den Massenmedien, die ihrem Publikum jahrzehntelang mit Bildern verdorrender Landschaften, verdurstender Tiere und verhungernder Menschenkinder Angst gemacht hatten, kam diese Meldung offenbar zur Unzeit.
Abb. 2 : Global Greening. Quelle https://www.nature.com/articles/nclimate3004
Im letzten Jahr haben nun chinesische Forscher aus verschiedenen Instituten des aufstrebenden Landes (Yitao Li, Zhao Liang Li u.a.) die 2016 publizierten Resultate näher unter die Lupe genommen und den Untersuchungszeitraum bis 2018 verlängert. Sie konnten ihre Ergebnisse zu Beginn dieses Jahres im renommierten Online-Wissenschaftsmagazin „Nature Communications“ publizieren. Es ging den chinesischen Forschern vor allem darum herauszufinden, wie die unübersehbare Ausbreitung der grünen Vegetation auf der Erde die Durchschnittstemperaturen der Landmassen beeinflusst. Sie fragten nicht, wie die Erderwärmung auf das Ergrünen wirkt, auch wenn sie nicht formell ausschließen, dass die Begrünung der Erdoberfläche auf den gestiegenen CO2-Gehalt der Atmosphäre und die Erwärmung zurückgeht. In ihrer globalen Bilanz fanden die Forscher, dass das grüner werdende Kleid der Erde einen Abkühlungstrend von 0,018 K je Dekade verursacht, der einen Teil der globalen Erwärmung wettmache.
Es gibt kein „Weltklima“, sondern recht unterschiedliche Klimazonen
Die Autoren vergleichen die mithilfe des MODIS Spectro-Radiometers von Satelliten erfassten Temperaturen der Erdoberfläche (LFI) mit dem Leaf Area Index (LAI), das heißt der von grünen Blättern bedeckten Flächen. Dabei tragen sie verschiedenen Formen der Empfindlichkeit eines Faktors gegenüber Änderungen des andern Rechnung, indem sie non-radiative, radiative und indirekte Rückkoppelungen unterscheiden. Nicht mit dem Strahlungstransport zusammenhängende Rückkoppelungen sind Konvektion und Kondensation. Eine radiative Rückkoppelung ist die Albedo, die mit der Farbe und der Rauigkeit der Vegetation zusammenhängt. Der Zusammenhang zwischen LFI und LAI ist auf der Erde nicht einheitlich. Das heißt die Auswirkungen des Ergrünens der Erde unterscheiden sich je nach Klima- und Vegetationszone. Auch der Vegetationstyp (Wald, Wiese oder Ackerland) spielt eine wichtige Rolle. Auf über 70 Prozent der Erdoberfläche wirke die Vegetation kühlend, fanden die Chinesen. Das gilt vor allem für trockene und warme Klimazonen. Am Äquator ist der Effekt allerdings gering. Dagegen sei die negative Rückkoppelung in den Savannen umso größer. Wälder können dagegen leicht erwärmend wirken.
Wichtig sind auch saisonale Einflüsse. In den Tropen führt die Zunahme der Begrünung übers ganze Jahr zu einer leichten Abkühlung. In mittleren Breiten führt die Vegetation nur in der Wachstumsphase zu einer deutlichen Abkühlung, in der kalten Jahreszeit hingegen zu einer leichten Erwärmung. Denn zu den Polen hin schwächt sich die Kühlwirkung der Wachstumsperiode ab. In den borealen Zonen („boreal“ bezieht sich auf das Gebiet auf der Nordhalbkugel der Erde, in dem es lediglich 1 bis 4 Monate mit einer Durchschnittstemperatur über 10° Celsius gibt. Herkunft: aus dem lateinischen borealis, für nördlich, entlehnt.) überwiegt schließlich die wärmende Wirkung der Ruheperiode. Besonders stark ist die abkühlende Wirkung der Wachstumsperiode über Acker- und Grasland ausgeprägt, über Wäldern hingegen ist sie kaum nachweisbar.
Welche biophysikalischen Mechanismen genau dahinter stecken ist noch unklar. In borealen Regionen scheint die Strahlungswärme die nicht-radiative Abkühlung zu überwiegen. In den anderen Regionen ist es offenbar umgekehrt, so dass der Kühleffekt der Begrünung global überwiegt. Während der kalten Jahreszeit dominiert die Schneedecke in den borealen Regionen die positive Strahlungs-Rückkoppelung.
Abb.3: Trend der von der Erdergrünung beeinflussten Landtemperatur 2001-2018
Die Autoren errechnen einen globalen Begrünungs-Trend von 0,037 Quadratmeter je Quadratmeter. Dadurch werde ein Temperatur-Rückgang von 0,013 Grad Kelvin je Dekade verursacht. Auf der Nordhemisphäre wirke das vielleicht dem Risiko sommerlicher Hitzewellen entgegen. Die Ausbreitung der Vegetation auf Ackerland führe zu einer substanziellen Abkühlung, während die Zunahme der Waldfläche die globale Erwärmung verstärken könne. Das gelte besonders für feucht-kalte Gebiete. Die Kühlwirkung der Begrünung sei besonders in China und Indien spürbar. Auch die Europäische Union profitiere davon, während in Kanada und in Russland die Erwärmung überwiege. China und Indien seien die „Leader des Global Greening“ – ein Resultat, das den chinesischen Forschern wohl nicht unwillkommen war.
Dringender ist die Ernährung der weiter wachsenden Weltbevölkerung
Wie bereits erwähnt, haben die chinesischen Forscher nicht untersucht, ob und inwieweit „Global Greening“ mit dem gestiegenen CO2-Gehalt der Atmosphäre und mit der globalen Erwärmung zusammenhängt. Das kann man bedauern, entsprach aber wohl dem eng gefassten Auftrag der Chinesen. Es ist aber ein zweit-, wenn nicht drittrangiges Problem, ob das Anwachsen der Vegetationsfläche nun der globalen Erwärmung entgegenwirkt oder nicht. Viel dringender ist die Frage, ob das wahrscheinlich mit dem gestiegenen CO2-Gehalt der Luft zusammenhängende „Global Greening“ helfen kann, die bald auf 10 Milliarden Menschen anwachsende Weltbevölkerung zu ernähren.
Entwicklung der Weltbevölkerung sei 10.000 BC, mit Ergänzungen von Helmut Kuntz
Im Prinzip wissen wir inzwischen über den Zusammenhang zwischen der atmosphärischen CO2-Konzentration und dem Wachstum von Kulturpflanzen ganz gut Bescheid. Ich kann hier auf das verweisen, was ich im Jahre 2019 bei der öffentlichen Anhörung zum Thema „Welternährung und Entwicklung“ im Bundestagsausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vorgetragen habe. Den Pflanzenphysiologen ist schon seit längerem bewusst, dass sich der CO2-Gehalt der Atmosphäre am Ende der so genannten Kleinen Eiszeit vom 17. bis zum 19. Jahrhundert mit 0,028 Volumen-Prozent an der unteren Grenze des für die meisten Pflanzen gerade noch Erträglichen bewegte. Insofern ist es verständlich, warum schon der leichte Anstieg der atmosphärischen CO2-Konzentration auf etwas über 0,04 Vol.% zu einem beeindruckenden Aufblühen der Vegetation führte. Bekanntlich nutzen Gärtnereien schon länger diesen Effekt aus, indem sie die Luft ihrer Gewächshäuser künstlich mit CO2 anreichern. Selbstverständlich gibt es auch da eine Sättigungsgrenze, oberhalb der zusätzliches CO2 keine nennenswerte Wirkung mehr zeigt.
Allerdings können nicht alle Pflanzentypen das höhere CO2-Angebot gleich gut verwerten. Es kommt darauf an, ob ihre Photosynthese dem C3- oder dem C4-Weg folgt. C4-Pflanzen, die in wärmeren und trockenen Klimaten überwiegen, verwerten den Kohlenstoff bereits so effizient, dass zunächst kaum noch eine Steigerung möglich scheint. C3-Pflanzen, die in gemäßigten Klimazonen überwiegen, profitieren jedoch vom zusätzlichen CO2-Angebot, solange sie gut mit Stickstoff und Wasser versorgt sind. Das ist bei Kulturpflanzen meistens der Fall. Nach einem Langzeit-Experiment mit Präriegräsern, das die Ökologin Melissa Pastore an der Universität von Minnesota durchgeführt hat, kehren sich die Vor- und Nachteile von C3- und C4-Pflanzen aber nach wenigen Jahren um, so dass C4-Pflanzen im Endeffekt stärker auf das höhere CO2-Angebot ansprechen können. Das ist eine gute Nachricht vor allem für die ariden Gebiete der Erde, wo C4-Pflanzen wie vor allem Gräser überrepräsentiert sind. Dazu gehören auch wichtige Nutzpflanzen wie Amarant, Hirse, Mais und Zuckerrohr.
Bei C4-Pflanzen ist die Photosynthese in zwei Etappen aufgeteilt und in zwei verschiedenen Zelltypen lokalisiert. Die Zellen des Blattgewebes, die Mesophyllzellen, nehmen CO2 auf und speichern es. Die Umwandlung von CO2 in Zucker (der Calvin Zyklus) findet danach in den Bündelscheidenzellen statt, die kranzförmig um die Leitbündel gruppiert sind. Die vorgeschaltete CO2-Fixierung funktioniert wie ein Pump-Speicher, der das zentrale Enzym der Photosynthese, die Ribulose-1,5-bis-phosphat-carboxylase-oxygenase (abgekürzt RuBisCO) mit ausreichend CO2 versorgt. Der größere CO2-Vorrat erlaubt es den Pflanzen, ihre Spaltöffnungen zum Atmen eher zu schließen und sich so besser vor Austrocknung zu schützen.
Aber auch unter extremer Trockenheit und Hitze, wenn die Pflanzen ihre Spaltöffnungen schließen, um Wasserverluste zu vermeiden, reicht das CO2 infolge seiner zweistufigen Fixierung, um Fotosynthese zu betreiben. C4-Pflanzen können also bei hoher Lichteinstrahlung und Temperatur in kürzerer Zeit mehr Biomasse aufbauen als C3-Pflanzen und sind damit an Standorte mit viel Sonne und Wärme angepasst.
Noch drei Jahre vor Putins Einmarsch in die Ukraine meldeten Entwicklungshilfe-Organisationen wie die USDA bei Weizen und anderen Getreidesorten Rekordernten, die vermutlich mit dem gestiegenen CO2-Gehalt der Luft zusammenhingen. Doch schon im Jahre 2021 kam es aus verschiedenen Gründen zu einem steilen Anstieg des Weizenpreises. Wir haben hier darüber berichtet. Doch statt die Rahmenbedingungen für eine Steigerung der Agrarproduktivität in Europa und Afrika zu verbessern, tut die EU-Kommission alles, um mithilfe des „Green Deal“ und des 10-Jahres-Programms „Farm2Fork“ die Agrarproduktivität zu senken – angeblich, um das Klima zu retten. Die meisten Agrarwissenschaftler gehen davon aus, dass die Umsetzung des beschlossenen 10-Jahres-Plans zu einem Ertragsausfall von mindestens 20 Prozent führen werden. Dabei böte das „Global Greening“ die Chance, die Nahrungsmittelproduktion mit der Bevölkerungsentwicklung in Einklang zu bringen. (Das soll nicht als Aufforderung verstanden werden, die Bevölkerungsexplosion tatenlos hinzunehmen.)