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von Niki Vogt
Seit Jahrzehnten schwären unlösbare Konflikte im östlichen Mittelmeerraum, die immer wieder aufflammen: Die Großmächte, allen voran die USA, versuchen, ihre Interessen dort durchzusetzen. Ein weiterer Grund sind die Spannungen zwischen den beiden Hauptströmungen des Islam, Schiiten und Sunniten. Ein anderer Grund ist der Staat Israel, der als Frontstaat des „Westens“ gezwungen ist, um sein Überleben zu kämpfen, aber vom „Westen“ auch zur Interessenvertretung benutzt wird. Der nächste Grund ist das Gerangel um die Bodenschätze Öl und Gas. Doch unter Chinas Ägide findet gerade eine deutliche Entwicklung Richtung Frieden rund um das Mittelmeer und den Golfstaaten statt.
Und das geschieht mit erstaunlicher Geschwindigkeit. Offenbar hat Chinas Präsident Xi Jinping beschlossen, die chinesische Position in der Weltpolitik neu zu definieren. Die Region „Naher Osten“ mit ihren Dauerkriegen ist ein Dreh- und Angelpunkt, weil dort globale wirtschaftliche Interessen, militärstrategische Interessen, religiöse Hauptströmungen, Grenzen zwischen den Kontinenten und Bodenschätze für den Energiehunger der Welt multiple Konflikte erzeugen. Was natürlich sofort die massive Einmischung der globalen Großmächte mit sich bringt, allen voran die USA und Großbritannien. „Frieden im Nahen Osten!“ war nie die wahre Absicht der Großmächte. Auch die israelischen Regierungen waren schon immer mehr oder weniger darauf angewiesen, dass durch die ständigen Konflikte die dauerhafte Bereitschaft zur Einmischung des „Westens“ zu ihrem Schutz aufrechterhalten wird.
Peking arbeitet seit einiger Zeit in Kleinarbeit und beharrlich daran, den Nahen Osten in Richtung friedliche Zusammenarbeit zu strukturieren – in Zusammenarbeit mit Russland. Das beginnt nun Früchte zu tragen: Die Annäherung zwischen Saudi-Arabien und dem Iran ist nach langer Feindschaft fast schon vollbracht. So arbeitet der chinesische Präsident Xi Jinping zusammen mit den arabischen Regierungen an einer Neuordnung der Beziehungen.
Das Wall Street Journal berichtete am 12. März, dass der chinesische Präsident im Dezember 2022 bei einem Gipfeltreffen in Riad den Ländern eine „beispiellose Idee“ präsentierte: Ein hochrangiges Treffen der arabischen Golfmonarchen und iranischen Regierungsvertretern in Peking für 2023 und eine große „Bemühung“, die zwischen den Ländern bestehende Spannung schrittweise abzubauen. Insbesondere zwischen Saudi Arabien und dem Iran gibt es ständig Konflikte. China hatte monatelang daran gearbeitet, der Irak drängte schon seit 2019 auf eine Wiederannäherung und leistete einiges an Vorarbeit, auf der China aufbauen konnte. Und erstaunlicherweise willigten Riad und Teheran ein. Nun sollen die gegenseitigen Botschaften in den Ländern wieder reaktiviert werden.
Auch die Golfstaaten willigten ein, und so wird in diesem Jahr eine große Friedenskonferenz möglicherweise im Nahen Osten eine neue Ära einleiten, denn diese Entspannungspolitik könnte eine Wende bringen, die auch global von Bedeutung ist.
Dabei kommen bereits gegenseitige Zugeständnisse in Gang: Der Iran wird zukünftig die von ihm massiv unterstützte Miliz „Ansar Allah“ im Jemen mäßigen, damit die ständigen Angriffe gegen den nördlichen Nachbarn Saudi Arabien und dessen Ölfelder aufhören. Das wäre auch ein Segen für die Menschen im Jemen, die schrecklich unter den Bombardements des Saudis leiden. Und Saudi Arabien ginge es auch besser ohne die dauernden Terror-Angriffe. Die Saudis ihrerseits wollen nun die Exil-Zeitung „Iran International“, die in der iranischen Landessprache Farsi im Iran viel gelesen wird, deutlich weniger aggressiv gestalten. Diese Zeitung trug signifikant zu den Protesten im Iran bei.
China gibt im Gegenzug dem Iran wieder „Zugang zu Teilen seiner eingefrorenen Gelder auf den Konten chinesischer Banken“, berichten die „Deutschen Wirtschaftsnachrichten“.
Der iranische Präsident Ebrahim Raisi akzeptierte die Einladung des saudischen Königs Salmans, und sie wurde in einem Brief ausdrücklich begrüßt.
Am selben Tag, so schreibt die englischsprachige Deutsche Welle, schlug der iranische Außenminister Hossein Amirabdollahian drei Orte für das Treffen mit seinem saudischen Amtskollegen vor.
„Der Iran und Saudi-Arabien einigten sich in einem von China vermittelten Deal darauf, die Beziehungen wieder aufzunehmen und Botschaften am 10. März wieder zu eröffnen. Die beiden Länder kämpfen seit vielen Jahren um die Vorherrschaft im Nahen Osten und unterstützen rivalisierende Fraktionen in den Kriegen im Jemen und in Syrien. (…) Inzwischen haben der Irak und der Iran ein Abkommen unterzeichnet, das darauf abzielt, die Grenzsicherheit zu verschärfen.“
Die Nachrichtenagentur Reuters zitierte 2021 den damaligen chinesischen Außenminister Wang Yi zu der sich anbahnenden strategischen Partnerschaft des Iran und Chinas zu einer 25-Jahres-Kooperation:
„Die Beziehungen unserer beiden Länder haben nun das Niveau einer strategischen Partnerschaft erreicht und China geht es darum, seine Verbindungen zum Iran umfassend zu verbessern. Unsere Beziehungen zum Iran werden nicht von Gegenwärtigkeit geprägt, sondern permanent und strategisch sein.“
Diese Strategische Partnerschaft hat schon viel bewirkt: Die Achse China-Russland-Iran hatte schon im Krieg in Syrien, wo die USA im Verbund mit Großbritannien Anstrengungen unternahm, die Assad-Regierung zu stürzen und durch eine amerikanische Marionette zu ersetzen, dieses Vorhaben wirksam unterbunden. Nun steht auch die Konsolidierung des kriegsgebeutelten Landes auf der Agenda. Damaskus hat hohes Interesse, in dieser Achse mitzuwirken. Saudi Arabien eröffnet nun sogar eine diplomatische Vertretung in Damaskus, berichtet der „Middle East Monitor“ am 20. März 2023 unter Berufung auf das russische Medium „Sputnik“. Hierbei werden, so der „Middle East Monitor“, die Verhandlungen hauptsächlich über Russland und die Vereinigten Arabischen Emirate in Absprache mit China geführt. Der syrische Präsident Assad besuchte bereits am 19. März 2023 den Premierminister der Vereinigten Arabischen Emirate zu eingehenden Besprechungen.
Haben Sie, verehrter Leser, das alles in der Tagesschau gehört und gesehen?
Sogar die Türkei, die ständig in der Grenzregion Türkei/Syrien gewaltsam ihre Interessen durchdrückt (aber dafür keine Sanktionen zu befürchten hat), bewegt sich sichtlich weg vom „Westen“ und nähert sich in einer für den Westen besorgniserregenden Geschwindigkeit dieser Achse an.
„Cavusoglu sagte, sein iranischer Amtskollege Hossein Amirabdollahian wolle sich den Gesprächen zwischen der Türkei, Syrien und Russland anschließen, und die Türkei habe glücklich zugestimmt“.
Wahrscheinlich noch im März wollen sich der türkische Außenminister, der stellvertretende russische Außenminister, der syrische Außenminister und der iranische Außenminister in Moskau treffen, wie Reuters berichtet. Die Telefone stehen kaum still zwischen den Außenministern. Das ist ein deutlicher Verlust für die US-geführte NATO. Ein Friedensprozess mit der Türkei im Bund dieser von Russland und China geführten Initiative schwächt die NATO beträchtlich. Denn „der Mann am Bosporus“ hat die Macht über den Zugang zum Schwarzen Meer, und damit zum verwundbaren Unterbauch Russlands. Mit der Türkei ginge ein wichtiger Verbündeter verloren. Demnächst werden sich die Staatsführer der neuen russisch-chinesisch-arabischen Achse zusammensetzen. Das alles ist auch ein Teil der neuen, chinesischen Seidenstraße, die dabei ist, zum größten kooperativen Wirtschaftraum zusammenzuwachsen, den die Welt je gesehen hat.
Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten bewerten diese Entwicklung so:
„Die US-Regierung hatte die Länder der Region in der Vergangenheit mehrfach davor gewarnt, eine Normalisierung in den Beziehungen zu Damaskus einzuleiten. Sollte den unter Vermittlung Chinas und Russlands vorangetriebenen Initiativen Erfolg beschieden sein, ginge deshalb parallel dazu auch ein Einflussverlust der USA und eine gewisse außenpolitische Isolation Großbritanniens und Israels im Vorderen Orient einher.“
Eins ist sicher: Das ist der Alptraum der USA. Sie werden alles daransetzen, diese Entwicklung zu verhindern. Denn die Strahlkraft einer solchen, sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Großregion „neue Seidenstraße“ – die auch in Afrika schon Gestalt annimmt –, wird auch Europa erfassen. Die USA werden auf einen hinteren Platz verwiesen. Auch deshalb könnte der Ukraine-Krieg relativ bald unter Wahrung des Gesichtsverlustes für die USA enden. Aber nicht, weil man in Washington Frieden sucht, sondern um die Kräfte gegen China zu bündeln und die Waffenkammern wieder aufzufüllen. Denn fällt China, dann auch Russland und das ganze Seidenstraßenprojekt.
Nur wird das mit ziemlicher Sicherheit nicht passieren.
Dieser Artikel erschien in seiner ersten Fassung auf der Seite „DieUnbestechlichen.com“