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von Niki Vogt
Bachmut ist ein Kipp-Punkt. Schon lange ist die Stadt umkämpft und immer wieder beanspruchen Russen und Ukrainer, die Oberhand zu haben. Nun aber deutet der ukrainische Präsident Selenskyj schon vage formuliert einen Rückzug aus Bachmut an. Er spricht davon, dass man die in Bachmut kämpfenden Soldaten nicht „verlieren“ will – was nichts anderes heißt, als dass man in Kiew damit rechnet, dass dort kaum noch ukrainische Soldaten lebend rauskommen, wenn die Russen den Kessel zu machen, und danach sieht es ganz aus. Die Ukraine muss bekanntermaßen schon Teenager und alte Männer von der Straße weg gewaltsam „rekrutieren“, Videos in den sozialen Netzwerken zeigen das. Und in Bachmut sind die Ukrainer in einer „prekären Lage“. Die Region um Bachmut ist die letzte in der Donezker Volksrepublik, die noch nicht fest in russischer Hand ist. Die Bewohner der Donezker Volksrepublik sind russischstämmig. Für sie wäre die Einnahme durch die russischen Streitkräfte eine Erlösung. Die beiden Volksrepubliken wollen schon lange in die russische Föderation aufgenommen werden. Ob das tatsächlich geschehen wird, ist fraglich.
Damit wäre aber auch die Lage für Russland und die beiden Volksrepubliken Donesk und Lugansk soweit konsolidiert, dass Russland sein wichtigstes Ziel der sogenannten „militiärischen Spezialoperation“ erreicht hat. Dass er Kiew einnehmen würde und die Nazis aus der Ukraine vertreiben könnte, wird wohl auch Präsident Putin nicht ernsthaft erwartet haben. Sollte nun Bachmut von der russischen Armee befreit/besetzt sein, kann Präsident Putin aus einer Position der Stärke verhandeln.
Nachdem die Lage in Bachmut teilweise unübersichtlich geworden war und die russische Siegesserie stockte, kamen aus Kiew neue Vorstöße und man versicherte, die Stadt unter allen Umständen halten zu wollen.
Dann reorganisierten sich die russische Armee und die berühmt-berüchtigte Wagner Gruppe, die aus hoch ausgebildeten Kämpfern bestehen. Die Wagner-Kämpfer und die russischen Kommandeure hätten in letzter Zeit „ihre andauernde Fehde beigelegt“ und zu kooperieren begonnen, behauptet der britische Geheimdienst (letzter Punkt im schwarzen Feld):
Latest Defence Intelligence update on the situation in Ukraine – 7 April 2023.
Find out more about Defence Intelligence's use of language: https://t.co/NJNBkledZx
🇺🇦 #StandWithUkraine 🇺🇦 pic.twitter.com/KlEvFt4ykR
— Ministry of Defence 🇬🇧 (@DefenceHQ) April 7, 2023
Punkt eins des Tweets stellt fest: „In den letzten Tagen haben die russischen Kräfte wieder neuen Schwung in der Schlacht um Bachmut gewonnen. Seit Ende März war ihr Vormarsch weitgehend zum Erliegen gekommen.“
Punkt 2: Russland hat weitere Gewinne gemacht und ist höchstwahrscheinlich bis ins Stadtzentrum vorgedrungen, wo es das Westufer des Bachmutka-Flusses besetzt hat. Die Schlüsselstraße 0506 zur Versorgung des ukrainischen Militärs im Westens der Stadt Bachmut ist ernsthaft in Gefahr. Die reguläre russische Armee, die auch Luftlandetruppen einschließt, haben wahrscheinlich die Region gesichert und die Russen setzen die Artillerie dort nun wesentlich effektiver ein.
Auch westliche Nachrichtenagenturen beziehen sich nun auf die Meldungen des britischen Geheimdienstes und berichten:
Russische Truppen haben haben der seit Monaten schwer umkämpften Stadt Bachmut offenbar das Westufer des Flusses Bachmutka unter ihre Kontrolle gebracht. Damit wäre dann aber eine wichtige Versorgungsroute für das ukrainische Militär abgeschnitten. (Handelsblatt)
Wir hören hier im Westen auch immer, wie unzufrieden russische Soldaten mit ihrer Ausrüstung seien und dass man sie als „Sandhasen“ ins Feuer schickt. Über die Zustände in der ukrainischen Armee hört man nur Gutes – oder gar nichts. Aber die ukrainischen Soldaten sind nicht nur begeisterte, tapfere Helden, die auch die gebührende Anerkennung und den – vom Westen gesponserten – Sold pünktlich empfangen. Die Ukrainischen Soldaten beschweren sich massiv, dass die Kommandeure den Sold gefallener Kameraden einstecken und sich damit die Taschen füllen, und in Wirklichkeit ist aber kaum noch jemand aus dem betreffenden Bataillon noch am Leben.
Soldaten des 228. Bataillons der 127. Truppenbrigade aus Charkiw gaben ihrem kollektiven Misstrauen gegenüber dem Militärkommando beredten Ausdruck. Es gebe „Tote Seelen“ die als Kämpfer der Brigade geführt werden, die aber niemand gesehen hat, schrieben Soldaten auf Telegram.
Bild oben: Noch sind sie siegessicher und lachen mit „Daumen hoch“. Doch die armen Kerle werden – wie sie es darstellen im Video unten – praktisch ohne Ausbildung in den „Fleischwolf“ getrieben und grausam dezimiert.
Dieses Video oben ist eine wütende Anklage des 127. Bataillons der 228. Brigade aus dem Oblast Charkiw. Die Männer sind verzweifelt. Sie schildern unglaubliche Zustände.
Die Kämpfer behaupten, dass die Einheiten der Brigade über ihren Einsatzort getäuscht werden und ohne militärische Ausbildung nach Bachmut geschickt wurden, sie seien einfach praktisch in den Fleischwolf geworfen worden. Es muss sehr schwere Verluste gegeben haben. Präsident Selenskyjs Fürsorge für „unsere Soldaten“, die er nicht verlieren will, zeugt also entweder davon, dass er keine Ahnung hat, was da an der Front passiert oder seine Fürsorge ist nur vorgetäuscht.
Darüber hinaus beschweren sich die Soldaten, dass sie keine ordentliche Ausrüstung und Waffen bekommen hatten und die Panzerfahrer gezwungen wurden, als Infanteristen zu kämpfen – wofür sie nicht ausgebildet sind. Auch die Zahl der Einsatzkräfte entspricht nicht dem, was in den Papieren geführt wird. Es fehlen viele.
Nach Angaben der Soldaten gibt ihre Kommandoführung die wahren Verluste nicht korrekt an. Sie verschleiern die Zahl der Gefallenen und stecken den Lohn für die toten Kameraden in die eigene Tasche. Das Bataillon bestehe nur noch aus ca. 20 bis 20 Soldaten und diese haben seit Januar ihren Sold nicht mehr erhalten. Die Soldaten nennen das einen Betrug mit „toten Seelen“, berichtet der ua-reporter.