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von Niki Vogt
Brauchen „die Afrikaner“, Almosen aus dem Westen, um zu überleben?
Musiker wie Bob Geldof oder Bono zeigen sich gern als mitfühlende, hilfsbereite Wohltäter und werben um Spenden für „Feed the World“. Bob Geldof gehört zu denen, die immer mit der gleichen Botschaft an die Öffentlichkeit gehen. Und das seit 30 Jahren. Die Botschaft heißt in etwa so: „Afrika ist unterentwickelt, arm, hilflos und stirbt an Hunger, Dürre und Armut, wenn nicht Rettung aus dem hochentwickelten Westen kommt, und das ist unsere Pflicht!“
Was Bob Geldof, Midge Ure und andere Musiker aus der Initiative „Band Aid“ (was ein Wortspiel ist: Es heißt übersetzt Heftpflaster und auch Hilfe durch Musik-Bands) aber nicht wirklich verstehen ist, dass sie sich damit in Afrika nicht allzu große Freunde machen. Die gebildeten, engagierten „Afrikaner“ haben es leid, ständig auf die Opferrolle des hilflosen, unterentwickelten Eingeborenen reduziert zu werden.
Die sambische Harvard-Ökonomin Dambisa Moyo hat ein Buch geschrieben, in dem sie mit dieser Art von Hilfe unnachsichtig ins Gericht geht: „Dead Aid“. Sie sieht in der Band Aid-Hilfe genau das: Ein Heftpflaster aus Mitleid und die Einstellung des Westens, dass die Afrikaner allein nicht in der Lage sind, anständige Lebensbedingungen zu schaffen. Sie ist eine der bekanntesten, hochrangigen Kritikerinnen der schicken, glamourösen, selbstgefälligen Hilfsgeld-Sammelaktionen, die zu einem nicht ganz kleinen Teil auch zur Selbstdarstellung einiger Bands und Stars dienen und den Spendern das gute Gefühl vermitteln, neben einem tollen Konzerterlebnis auch noch das schöne Gefühl „Gutes zu tun für die armen Schwarzen in Afrika“ geboten zu bekommen.
Entwicklungshilfe sei zu einem Teil der Unterhaltungsindustrie geworden, diagnostiziert Frau Moyo. Um den armen Afrikanern zu helfen, adoptieren Prominente publikumswirksam afrikanische Halbwaisen und „flanieren durch Flüchtlingslager, laden die Gutmenschen unter den Popstars zu Benefiz-Konzerten, und westliche Staaten haben in den letzten 50 Jahren eine Billion Dollar an afrikanische Regierungen gezahlt.“ kritisiert Dambisa Moyo. Aber trotz Jahrzehnten von billigen Darlehen, nicht rückzahlbaren Krediten, Schuldenerlassen, bilateraler und multilateraler Hilfe ist die Lage in Afrika nur noch schlechter geworden.
Schon, dass Afrika als „ein Land“ bezeichnet wird, zeige bereits die Ahnungslosigkeit der Wohltäter. 54 sehr unterschiedliche Staaten haben ihre Heimat auf dem Kontinent Afrika.
Durch Milliardenschwere Hilfsprogramme in Abhängigkeit gehalten
Tatsächlich werden die Einwohner vieler Länder dieses riesigen Kontinents immer wieder durch Kriege, Unruhen, Revolutionen, diktatorische Regimes, Dürren, Hunger, Armut und Hoffnungslosigkeit in die Flucht getrieben. Viele sterben. Millionen von Flüchtlingen versuchen, der Not zu entkommen. Sie sind entwurzelt und warten auf Hilfslieferungen aus „dem Westen“. Aber sie warten eben nur und haben dort, wo sie gestrandet sind, kaum die Möglichkeit, sich selbst zu helfen – und versuchen es oft auch gar nicht. Einerseits, weil sie sowieso auf Dauer dort nicht geduldet werden, andererseits, weil die humanitäre Hilfe eigentlich immer zuverlässig kommt.
In ihrem Buch legt die Wirtschaftswissenschaftlerin Moyo ihre Argumente überzeugend, wenn auch teilweise provozierend dar. Die nicht unbeträchtlichen Geldtransfers der „Entwicklungshilfen“ aus dem „entwickelten Westen“ an die „unterentwickelten Afrikaner“ führe genau zu dieser Abhängigkeit, konstatiert sie und begründet es ausführlich. Die Entwicklungshilfe ist ein Treibsatz für die Korruption von den höchsten Regierungskreisen bis hinunter in die regionalen Machtstrukturen und verhindert Veränderungen, weil diejenigen, die auf ihren Machtpositionen sitzen und vom Geldregen profitieren, nichts ändern wollen und sich mittels Weiterverteilung von Geld wiederum ihre Gefolgsleute und die Macht sichern. Mit den Entwicklungsgeldern werden auch Kriege und Bürgerkriege finanziert.
Der Geldregen verhindert wirksam den Zwang zum wirtschaftlichen Arbeiten, Unternehmen zu gründen, sich dem Risiko eines unternehmerischen Scheiterns auszusetzen. Viele versuchen einfach, eine Möglichkeit zu finden, von dem Geldregen aus Europa oder USA etwas abzubekommen, ohne groß arbeiten zu müssen. In dem Vorwort ihres Buches nennt Dambisa Moyo eine Zahl: Über eine Billion Dollar sei in den letzten 50 Jahren an Hilfeleistungen aus den reichen Ländern nach Afrika geflossen. Jedes Jahr werden Millionen eingesammelt, um Wohltätigkeitsorganisationen in Afrika zu unterstützen. Daran hat man sich dort gewöhnt, das Geld kommt einfach und alles, was man tun muss ist, sich davon etwas zu sichern.
Dambisa Moyo schreibt: „Entwicklungshilfe war und ist für die meisten Länder auch heute noch ein totales politisches, ökonomisches und humanitäres Desaster. (…) Ich werde Länder, die den Weg der Entwicklungshilfe abgelehnt haben und gedeihen, solchen gegenüberstellen, die von Entwicklungshilfe abhängig wurden und die gefangen sind in einem Kreislauf aus Korruption, Marktverzerrung und weiterer Armut – was vermeintlich die „Notwendigkeit“ von noch mehr Entwicklungshilfe begründet. (…) Ich biete vielmehr einen anderen Weg an, einen Weg, der in Afrika bisher kaum verfolgt wurde. Es ist ein steiniger Weg. Er verlangt denen, die ihn beschreiten, mehr ab, aber letztlich ist es für den gesamten Kontinent doch ein Weg zu Wachstum, Wohlstand und Unabhängigkeit.“
Westliche Länder zerstören aktiv Afrikas Wirtschaften
Mit dem Abhängigmachen von Almosen ist es aber nicht getan. Es gibt Industrie und Unternehmen in Afrika, aber sie werden von Europa auch noch zerstört.
Ein kleines Beispiel: Wer den Hilfsaktionen „Kleider für Afrika“ folgt und seine Altkleider den „armen Afrikanern“ schenkt, weiß meistens gar nicht, was das bewirkt. Und er weiß auch nicht, dass das eigentlich eine sehr arrogante und ahnungslose Herablassung ist – und destruktiv: Denn zum Beispiel Tansania hatte einmal eine große, blühende Textilindustrie, die durch Überschwemmung mit Altkleidern aus Europa ruiniert wurde.
Die Produkte und Kleidungsstücke wurden dort zum Teil noch in Handarbeit genäht und ernährten ganze Regionen. Aber sie konnten nicht mithalten mit den säckeweise angeschleppten Gebrauchtkleidern, die auf den Märkten für weniger als ein Euro zu haben sind. Gleichzeitig bedeutet dies auch eine kulturelle Verarmung des Kontinentes, denn die westliche Massenware kann nicht im Entferntesten mit der Schönheit traditioneller, regionaler afrikanischer Kleidung mithalten.
Afrika hat Industrie, Arbeitsplätze, eigene Produktionen, landwirtschaftlichen Produkten … doch die tun sich immer schwerer im Konkurrenzkampf mit den Überschussexporten der EU nach Afrika. Die von der EU subventionierten Überproduktionen, die nicht vom Markt aufgenommen werden, entsorgen die Hersteller für weitere Subventionen in die afrikanischen Länder. Dort sind sie trotz der ganzen Transportkosten immer noch billiger, als die heimischen Anbauprodukte und treiben die Bauern in den Ruin. Die armen Länder können sich auch nicht durch Einfuhrzölle wehren, denn die reichen Länder haben via Entwicklungshilfe und Krediten die Macht, das zu unterbinden.
Umgekehrt schützt sich die EU gegen Einfuhren aus der Dritten Welt mit Einfuhrzöllen, die die Unternehmen und Bauern aus den armen Ländern, insbesondere Afrika nicht stemmen können.
Die Kleinbauern müssen aufgeben. Die Wasserkanäle zerfallen und vertrocknen, die ehemaligen Felder verdorren, es wächst nur noch knochentrockenes Gestrüpp, wo früher grüne Felder mit üppigen Ernten heranreiften. Die verarmten Bauern gehen und reihen sich in die Masse der hungrigen Armen und Entwurzelten ein, die auf Hilfsgüter warten, die dann zu festen Einrichtungen werden. Endstation Hilfsgelder und humanitäre Lieferungen, ohne dass ein Ende absehbar wird:
Manche Küstenländer Afrikas verkaufen die Fangrechte vor ihren Stränden für ein paar Dutzend Millionen Euro An die EU. Von da an ist auch das Schicksal der traditionellen Fischer besiegelt. Die Hochseetrawler aus Europa ziehen jedes Jahr Tausende Tonnen Fisch mit ihren riesigen Netzen aus dem Meer vor der afrikanischen Küste und verarbeiten den Fisch noch auf dem Schiff. Eine solche schwimmende Fischfabrik holt an einem einzigen Tag 250 Tonnen aus dem Wasser. Diese Menge konnte früher über 50 Fischer und ihre Familie ein ganzes Jahr ernähren. Doch wo die Europäer das Meer abernten, verhungern die Fischer. Für sie bleibt nichts mehr übrig.
Von Nachhaltigkeit, Umwelt- und Naturschutz ist hier keine Spur. Die Meeresflora und -fauna wird zerstört und die einheimischen Fischer, die nur einen Bruchteil dieser Mengen gefischt haben, wie schon ihre Väter und Vorväter werden in den Ruin getrieben und müssen weichen. Ihre Fischerei stand im Einklang mit der Regenerationsfähigkeit den Fisch- und Meerestierpopulationen.
Das alles sind Gründe, warum die Länder in Afrika arm sind, obwohl der Kontinent eigentlich so reich ist. Warum die entwurzelten, verarmten Menschen auf Entwicklungshilfe angewiesen sind und zu Flüchtlingen im eigenen Land werden. Die Dürren sind oft nicht das Ergebnis von Klimaveränderungen, sondern von Zerstörung einer alten, gewachsenen Landwirtschaft, die zerstört wurde. Die Hungersnöte sind seltener ein Klimaproblem, als eine direkte Auswirkung der Globalisierung, die die vulnerablen Strukturen vieler afrikanischen Länder im brutalen Konkurrenzkampf vernichten.
Es ist kein Zufall, dass dieselben , die Afrika durch ihre Handelspolitik und Entwicklungspolitik zerstören auch diejenigen sind, die von „Bekämpfung der Flüchtlingsursachen“ schwadronieren und gleichzeitig jeden als Rassist und Nazi brandmarken, der die Flüchtlingsindustrie und die Bevormundung der Afrikaner kritisiert, der die Zerstörung ihrer Ressourcen und Industrien beenden will, damit nicht so viele ihr Heil woanders suchen (müssen) – wo sie es aber auch nicht wirklich finden werden. Diese Menschen werden entwurzelt, missbraucht und alleingelassen von denen, die sich als „die Guten“ aufspielen.