Niki Vogt auf Telegram folgen
von Inge Njöhr
Deutschland zerstört seit Jahrzehnten seine wirtschaftlichen Grundlagen. Mit dem Stilllegen von Steinkohlezechen opferte man nicht nur die energetische Autarkie Deutschlands, nein, man hat damit auch weitere Industrien zerstört. So hatte die Zeche Westphalen in Hamm die schwefelärmste Steinkohle der Welt, was der deutschen Stahlindustrie die Herstellung von Sonderstählen ermöglichte. Das ist nach der Stilllegung dieser Zeche vorbei. Oder ein anderes Beispiel: Die Anthrazitkohle aus Ibbenbüren wurde für Meerwasserentsalzungsanlagen verwendet. Ebenfalls Vergangenheit. Nun soll auch die Braunkohle aus der Energieerzeugung verbannt werden und Deutschland verschärft laufend den politischen Ton zu dem immens wichtigen Nachbarn Russland.
Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder erhielt auch den Spitznamen „Gasgerd“, da er sehr enge Verbindungen zu Gazprom pflegte, die nicht nur für ihn profitabel waren, sondern Deutschland stärker an das russische Gas banden und eine hohe Liefersicherheit bieten. Die jetzige Merkel-Regierung hätte Nord-Stream 2 zur teuersten Wirtschaftsruine verkommen lassen, hätten die Russen die Pipeline nicht zu Ende gebaut.
Mit dem Donbass-Konflikt 2015 und der Wiedereingliederung der Krim zu Russland ist der politische Ton gegenüber dem riesigen, Rohstoffreichen Land und Brudervolk Russland, vorsichtig gesagt, sehr undiplomatisch geworden. Der gemäßigte russische Außenminister Lawrow bezeichnete Deutschland nicht nur als „nicht verlässlich“, sondern sogar schon als „feindlich“! Trotz all der Demütigungen, die sich die russische Regierung von deutscher Seite bieten lassen musste und muss, hat die russische Regierung noch nicht zu Gegenreaktionen gegriffen. Soviel stoische Geduld ist schon bewundernswert. Dabei wäre es für Russland ein Leichtes, Deutschland innerhalb von 4 Wochen gegen die Wand zu fahren: Es müsste nur den Gashahn zudrehen. Doch die deutsche Regierung verlässt sich anscheinend auf den ehernen Grundsatz der Russen, Verträge penibel einzuhalten.
Die meisten Menschen glauben, dass Gas hauptsächlich zum Heizen von Häusern verwendet wird. Dem ist nicht so. Tatsächlich sind die Großstädte Deutschlands auf Gas angewiesen, denn Öl- oder Festbrennstoffen-Heizungen sind dort eher die Ausnahme. Aber wesentlich wichtiger noch sind Energieversorgung, chemische Industrie, Maschinenbau und Druckindustrie.
Kaum jemand in Deutschland ist sich darüber im Klaren, was hier auf dem Spiel steht. Betrachten wir die verschiedenen Branchen und ihre Abhängigkeit vom Gas.
1. Energieversorgung
Schon unter Schröder konzentrierte man sich auf verteuerbare Energie. Windkraft und Solar sollten ausgebaut werden und Deutschland sollte in Zukunft zum Nulltarif seine Energieversorgung erhalten. Fachleute, die vor der volatilen „Flatter-Stromerzeugung“ oder der 50Hz-Instabilität warnten, wurden als „Ewiggestrige“, „Lobbyisten“ und „Dummköpfe“ verspottet. (Wenn die Frequenz des Stroms 48Hz unter oder 52 Hz überschreitet, bricht das gesamte Stromnetz zusammen.) Dass es trotz der Abschaltung von Kernkraftwerken und Kohlekraftwerken noch nicht zum Blackout gekommen ist, ist zwei Faktoren gedankt:
- Den fähigen Fachleuten in der Netzversorgung.
- Den schnell arbeitenden Gaskraftwerken
Gaskraftwerke haben den unschätzbaren Vorteil, dass sie extrem schnell zu- und abgeschaltet werden können und auch auf Teillast betrieben werden können. Sie brauchen keine Anlaufphase und sie müssen nicht mit viel Energie fremdgestartet werden, sondern sind „kaltstartfähig“ und damit ideal als Notüberbrückung. Deswegen bezeichnet man diese Gaskraftwerke auch als „Schattenkraftwerke“, da sie die Erzeugungslücken der verteuerbaren Energie schließen müssen und innerhalb weniger Sekunden einspringen, wenn ein Blackout droht. Ist kein Gas vorhanden, ist schnell Schluss mit verteuerbarer Energie und auch Schluss mit der Stromerzeugung. Denn ist das Stromnetz „unten“, muss man mühsam einzelne Kohlekraftwerke hochfahren, die dann wiederum andere Kraftwerke anwerfen, bis nach einigen Tagen möglicherweise alles wieder läuft.
Video oben, zu „Schattenkraftwerken: Professor Lüdecke ist Physiker, Wissenschaftler und Pressesprecher des unabhängigen Europäischen Institutes für Klima und Energie (EIKE). Er stellt nicht nur die aktuelle Situation bei unserer Stromversorgung dar, sondern zeigt auch auf, wo die Probleme der so genannten „erneuerbaren Energien“ liegen. Immer wieder wird deutlich, wie unwirtschaftlich und gefährlich diese Technik für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist. Auch die angebliche Umweltfreundlichkeit dieser Anlagen wird widerlegt.
Was ein Blackout von etwa 72 Stunden an Katastrophen verursacht, kann man aus einer von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Studie des Büros für Technikfolgenabschätzung entnehmen. Da kann kein dystopische Roman mithalten.
Ein Zitat aus der Einführung in die Studie:
Aufgrund der nahezu vollständigen Durchdringung der Lebens- und Arbeitswelt mit elektrisch betriebenen Geräten würden sich die Folgen eines langandauernden und großflächigen Stromausfalls zu einer Schadenslage von besonderer Qualität summieren. Betroffen wären alle Kritischen Infrastrukturen, und ein Kollaps der gesamten Gesellschaft wäre kaum zu verhindern. Trotz dieses Gefahren- und Katastrophenpotenzials ist ein diesbezügliches gesellschaftliches Risikobewusstsein nur in Ansätzen vorhanden.
Dabei hat die Studie nur einige von vielen Feldern bearbeitet, aber auch da kann einem nur angst und bange werden:
- Dazu wurden folgende Gefährdungslagen analysiert:
- Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln (Sektor »Landwirtschaft/ Lebensmittelhandel«)
- Sicherstellung einer medizinischen und pharmazeutischen Mindestversorgung (Sektor »Gesundheitswesen«)
- Aufrechterhaltung der (Trink-)Wasserversorgung und Abwasserentsorgung (Sektor »Wasser und Abwasser«)
- Gewährleistung angepasster Mobilität bzw. Transportkapazitäten (Sektor »Transport und Verkehr«)
- Ermöglichung ausreichender Finanzdienstleistungen (Sektor »Finanzdienstleistungen«)
- Aufrechterhaltung bzw. Wiederaufbau ausreichender Kommunikationswege (Sektor »Informationstechnik und Telekommunikation«)
- Gewährleistung öffentlicher Sicherheit – Fallbeispiel »Gefängnisse«
2. Chemische Industrie
Kunststoffe sind künstlich herstellt, wie der Name schon sagt. Aber die wenigsten Menschen wissen, wie Kunststoffe hergestellt werden. Da das Gas hauptsächlich aus Wasserstoff und Kohlenstoff besteht, eignet es sich hervorragend für die Herstellung von Kunststoffen. Sollte man in Deutschland keine Kunststoffe mehr herstellen können, so ist es vorbei mit dem Abfüllen von Lebensmitteln, dem Verstretchen von Paletten und natürlich der Industrie, die Kunststoffe in unzähligen Anwendungen benötigt.
Aber in diesem Bereich hat Russland bereits gehandelt. Es hat deutsche und Schweizer Technologien gekauft und kann nun selbst Kunststoffe herstellen. Bezeichnend ist, dass die Produktionsmenge Russlands um die Menge stieg, um die die deutsche Produktionsmenge fiel. Dadurch, dass jetzt Russland die Kunststoffe selber produzieren kann, ist der deutsche Kunststoff teurer, da die Kapazitäten nicht ausgelastet sind und Russland als Wettbewerber hinzugekommen ist.
Im Jahr 2020 verkaufte Russland zum ersten Mal in seiner Geschichte mehr Primärpolymere ins Ausland als es einkaufte. Dank des Baus neuer Anlagen wird Russland Deutschland bald aus dem Weltmarkt drängen. Sollten sich die Deutschen darüber Sorgen machen? Das Video analysiert die Situation.
3. Maschinenbau
Der Maschinenbau benötigt veredelte Oberflächen oder spezielle Gefügestrukturen in den Bauelementen. Dies geschieht über Sintern (Dabei werden feinkörnige keramische oder metallische Stoffe – oft unter erhöhtem Druck – erhitzt, wobei die Temperaturen jedoch unterhalb der Schmelztemperatur der Hauptkomponenten bleiben, so dass die Gestalt (Form) des Werkstückes erhalten bleibt), Härten oder Schmieden. All diese Prozesse sind aus Kostengründen oder des Komforts sehr häufig mit Gas verbunden, denn Gas hat klare Vorteile:
- Man kann mit Gas den Sauerstoff vom heißen und damit reaktionsfreudigen Werkstück fernhalten
- Gas verbrennt Rückstandsfrei und man muss keine Asche entsorgen
- Gas lässt sich einfach temperaturgenau steuern
- Gas geht im Regelfall keine chemische Reaktion mit dem Werkstück ein
Sollten wegen Ausfalls der Gaslieferungen die Härtetechnik, die Sintertechnik und die Schmiedetechnik zusammenbrechen, ist kein Maschinenbau und kein Fahrzeugbau mehr möglich, da man die Festigkeit, die Härte, die Zähigkeit und die Materialzusammensetzung nicht mehr steuern kann.
4. Druckindustrie
Viele Menschen haben wahrscheinlich die gewaltigen Druckstraßen für die Zeitungen oder für die Werbung schon einmal im Fernsehen gesehen, aber die wenigsten Menschen wissen, wie diese Monsterdrucker funktionieren. Ein wichtiger Produktionsschritt ist das Einbrennen der Farbe in das Papier. Das geschieht über beheizte Wellen. Diese Beheizung erfolgt häufig über Gas, da wie schon beschrieben, Gas ein sehr komfortabler Brennstoff ist. Sollte die Druckindustrie zusammenbrechen, so sind nicht nur Zeitungen, Bücher oder Werbeflyer betroffen, sondern auch ganz wichtige Dinge, wie Etiketten von Konserven, Verpackungen oder amtliche Formulare.
Man kann diese Liste noch weiter führen, da viele Dampfkessel, wie sie in der Reinigungsindustrie, Textilindustrie oder Lebensmittelindustrie verwendet werden mit Gas betrieben werden. Die Politik hat mit der Verlagerung von Stadtgas (aus Steinkohle gewonnen) auf Erdgas auch hier die autarke Versorgung in fremde Hände übergeben.
Es ist ein Wunder, dass unser Lieferant Russland, der unser aller Wohl in den Händen hält noch nicht aus Verärgerung über die böswilligen Beleidigungen und Sanktionen unserer unfähigen Regierung reagiert hat und uns einfach den Gashahn zugedreht hat. Wir sollten für Russlands Geduld wirklich dankbar sein. Doch auch diese wird irgendwann zu Ende sein. Natürlich sieht Russland, dass die USA Deutschland wegen Nord Stream 2 unter Druck setzen und dass ihnen diese Energieunabhängigkeit von Amerika gar nicht behagt, schon gar nicht, wenn das GAs aus Russland kommt. Aber man sieht in Moskau auch, dass Deutschland nicht die Kraft und den Willen hat, seine Interessen durchzusetzen und sich auch unter politischem Druck an seine Verträge zu halten. Russland wendet sich von Deutschland ab.
Die Zeichen an der Wand sind schon zu lesen: Russland orientiert sich schon seit einiger Zeit immer mehr in Richtung Asien, wo es „zuverlässigere Geschäftspartner“ findet.
Mitte Mai gaben Vertreter der russischen Gazprom bekannt, dass die im Bau befindliche Gaspipeline Nord Stream 2 die letzte für den europäischen Markt sein wird. Gleichzeitig hat die russische Regierung das allgemeine Schema der Entwicklung der Gasindustrie des Landes bis 2035 genehmigt. Sie stellte die alternative Richtung für russische Gasexporte fest – die schnell wachsenden Märkte Südostasiens, allen voran China.