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von Niki Vogt
Ein beliebtes Kinderspiel: „Ich seh‘ etwas, was Du nicht siehst, und das ist …“. Der „Wissende“ antwortet nur mit „Ja“ oder „Nein“. Wissen die Mächtigen und Superreichen etwas, was wir Normalsterblichen nicht wissen? Warum kaufen sich Multimilliardäre und mächtige Konzernbosse einsame Inseln, riesige Yachten, bauen sich „Wolfsschanzen“ mit Hubschrauberlandeplatz im Gebirge oder unterirdische Luxusbunker. Und warum lesen wir seit den letzten Jahren soviel davon? Zwar sind es auch PR-Artikel der Bunker-Baufirmen. Aber diese Angebote stoßen offenbar auf großes Interesse in der globalen Oberschicht. Das fing schon nach 2008, der Subprime-Krise in den USA an und ging langsam hoch, um in den letzten drei Jahren zu einer Welle unter den globalen Eliten zu werden.
Der „kleine Mann auf der Straße“, der sich größere Mengen an Vorräten in den Keller stellt und – ganz furchtbar – vielleicht sogar ein Döschen Pfefferspray oder gar eine legale Waffe besitzt, gerät gleich in den Ruch eines rechtsradikalen Preppers oder gar Reichsbürgers. Wenigstens einigermaßen vorbereitet zu sein auf raue Zeiten ist schon Verschwörungstheorie. Die Superreichen und Mächtigen dagegen bereiten sich mit allem Luxus und Komfort nicht nur auf eine Krise, sondern sogar auf eine Art Weltuntergang vor. Anders kann man das nicht nennen, wenn jemand sich auf eine jahrelange, komplett von der Außenwelt abgeschnittene Zeitspanne unter Hochsicherheitsvorkehrungen einrichtet, um zu überleben. Luxutiös zu überleben, versteht sich.
Die ersten, vereinzelten Berichte darüber erschienen im Zusammenhang mit der globalen Finanzkrise 2008. Wie schon viele Wirtschafts- und Finanzexperten seitdem gesagt und geschrieben haben, wurden die Probleme und Risse im Weltfinanzsystem seitdem nicht behoben, sondern mit viel Schulden und Krediten, dem berühmten „Luftgeld“ in die Zukunft verschoben. Die Risiken wurden in Bad Banks ausgelagert, die Staaten retteten mit Steuergeldern die bankrotten Banken, die Zentralbanken gaben den bankrotten Staaten Geld, indem sie deren Staatsanleihen kauften, so schrottwertig sie auch sein mochten. Nun sitzen die Zentralbanken der Welt auf Gebirgen von Schrottanleihen. Alle schoben und schieben die Billionen hin und her, damit das Spiel weitergespielt werden kann. Und doch wussten und wissen alle, dass es nicht ewig währen wird. Kein Kartenhaus wächst in den Himmel.
Die ganzen Verwerfungen, die immer neue Verwerfungen gebären, haben uns in die heutige Gesamtsituation geführt und wir alle spüren, dass das nicht mehr lange gut gehen wird. Wir dürfen getrost davon ausgehen, dass die Tech-Milliardäre, die Mächtigen und Superreichen sehr gut Bescheid wissen, was wahrscheinlich kommen wird. Man kennt sich ja untereinander in Weltenlenkerkreisen. Da sich die „Bunkerberichte“ häufen und sogar die Regierungen jetzt die Bevölkerungen zum Preppern auffordern, scheint es soweit zu sein: Der Countdown läuft.
Die Landschaft (dieser Tech-Milliardäre) ist voller Algorithmen und Intelligenzen,
die diese egoistischen und isolationistischen Ansichten aktiv fördern.
Diejenigen, die soziopathisch genug sind, sie anzunehmen,
werden mit Geld und der Kontrolle über den Rest von uns belohnt.
Es ist eine sich selbst verstärkende Rückkopplungsschleife. Das ist neu.
Verstärkt durch digitale Technologien und die beispiellose Vermögensungleichheit, die sie bieten, ermöglicht (das) die einfache Auslagerung der Schäden auf andere
und weckt eine entsprechende Sehnsucht nach Transzendenz und Trennung
von den Menschen und Orten, die missbraucht wurden.
Douglas Rushkoff, „The Guardian“
Vor nicht ganz einem Jahr schrieb die NZZ einen Artikel darüber, wie die globalen Eliten wegen der Viruspandemie einem neuen „Eskapismus“ (vulgo: sich verpissen) verfallen: Die Pandemie aussitzen und das bei einem luxuriösen Lebensstil. Mark Zuckerberg, so schrieb das Schweizer Edelblatt, habe sich ein riesiges Anwesen von 600 Hektar samt dem Stausee Ka-Loko auf der hawaiianischen Insel Kauwai zugelegt. In einiger Entfernung residieren auch Oprah Winfrey und Amazon-Gründer Jeff Bezos. Mit einem Vermögen von 200 Milliarden Dollar ist er (neben Elon Musk) angeblich einer der zwei reichsten Männer der Erde. Jedenfalls von denen, die man kennt.
Auch in Neuseeland, so die NZZ, gingen große Grundstücke, insbesondere Inseln vor dem Festland von Neuseeland und Australien an diverse Milliardäre, die dort Luxusvillen mit allem Pipapo hinstellten, um dort die Pandemie mit Ausritten im Privatwald, auf dem eigenen Tennisplatz und mit bester Verpflegung einschließlich erlesenem Weinkeller auszusitzen. Aber auch der NZZ ist klar: Die Pandemie ist vielleicht der Anlass, aber nicht der Grund:
Rückzugspläne bestehen schon länger: Milliardäre setzten in der Pandemie Pläne um, die sie seit längerem ausgeheckt hatten. Insbesondere Tech-Unternehmer aus dem Silicon Valley bereiten sich offenbar seit Jahren akribisch auf apokalyptische Szenarien vor – Unternehmer, die die Welt sonst mit Klicks und Ideen verändern wollen. (…) Die Multimilliardäre haben vor unterschiedlichen Katastrophen Angst: einem nuklearen Schlag, einer weiteren Pandemie, einem Klimadesaster. Was viele aus dem Silicon Valley ebenfalls beschäftige, seien die Auswirkungen der künstlichen Intelligenz, so der «New Yorker». Durch sie würden immer mehr Menschen ihre Arbeit verlieren, was wiederum zu einem Aufstand gegen die Technologie-Unternehmer führen könnte. Die Angst vor politischen Unruhen motiviert manche zu Fluchtplänen. Zudem ist den Tech-Preppern klar, wie stark alles miteinander vernetzt ist und wie anfällig das digitale System geworden ist.“
Die BILD thematisierte das im September 2022 in gewohnt diplomatisch-geschliffen-feiner Sprache:
„Schamlos bauen sie obszöne Bunker, kaufen gigantische Jachten und Flucht-Hubschrauber. So wollen Ultra-Reiche einer möglichen Apokalypse entkommen. Ob Klima-Katastrophe, Atom-Krieg oder Pandemie – einfach dahinzusiechen, wie normale Bürger, kommt für viele Reiche nicht infrage.“
Ebenfalls im September 2022 berichtet der Stern von „Milliardenschweren Preppern“, die versuchen, sich „vor der Apokalypse“ zu retten:
Angst vor dem Weltuntergang: Prepping ist auch bei den Reichsten der Reichen angekommen. (…) Tech-Milliardäre und andere extrem Wohlhabende wenden teils wahnwitzigen Aufwand und dementsprechend auch absurd hohe Summen auf, um einen Exit-Plan zu haben, sollte es tatsächlich einmal zum Systemzusammenbruch kommen.
Der US-amerikanische Autor, Journalist, Musiker und Dozent Douglas Rushkoff ist ein gefragter Gesprächspartner bei den Superreichen. Er beschäftigt sich seit Jahren mit den Auswirkungen und Gefahren der Digitalisierung, der Künstlichen Intelligenz und schrieb das Buch „Survival of the Richest – Escape Fantasies of the Tech Billionaires„ darüber, wie sich die Reichsten der Erde auf einen Totalzusammenbruch der Zivilisation vorbereiten, den Tag X, den sie selbst untereinander als „das Event“ (das Ereignis) bezeichnen.
„Das Ereignis.
Das war ihr Euphemismus für den ökologischen Zusammenbruch,
soziale Unruhen, nukleare Explosionen, den Sonnensturm, unaufhaltsame Viren
oder den böswilligen Computerhack, der alles zum Einsturz bringt.“
Douglas Rushkoff, „Survival of the Richest“
In seinem Buch beschreibt er auch einige der abstrus anmutenden Vorkehrungen, die er selbst gesehen hat. Der „Stern“ schreibt:
Dabei zeichnet Rushkoff ein dunkles Bild der Superreichen. Der Autor sei 2017 in ein „High-End-Resort“ eingeladen worden. Doch statt einen Vortrag über Digitalisierung zu halten, worauf er sich eingestellt habe, habe er mit fünf Männern aus der Tech- und Investmentbranche zusammen gesessen – mindestens zwei davon seien Milliardäre gewesen. Sie hatten Fragen an Rushkoff. Fragen, wie man eine bevorstehende Apokalypse überleben könnte, die sie nur das „Event“ nannten. (…) Egal ob die Auswirkungen des Klimawandels, eine tödliche, weltweite Pandemie, ein Weltkrieg oder ein Nuklearunfall – die Männer wollten auf alles vorbereitet sein. Dabei sei auffällig gewesen, dass sich die Superreichen nicht etwa wie die „Masters of the Universe“ gefühlt hätten, sie hätten Angst davor gehabt, bei einem sozialen Zusammenbruch gefasst und für die Entwicklung verantwortlich gemacht zu werden, so Rushkoff. Dabei hätten sie gefragt, ob es sinnvoller sei, einen Bunker in Neuseeland oder Alaska zu bauen, ob ihre Sicherheitsleute einen Mob vom Bunker fernhalten könnten, oder ob eine Roboter-Armee nicht sinnvoller wäre? Einer der Anwesenden habe bereits ein Dutzend ehemalige Navy Seals angestellt, um ihn zu beschützen.
Das, was Douglas Rushkoff am meisten von allem schockierte, war die Sicht dieser Leute auf die Menschheit:
Rushkoff gab zu bedenken, dass es doch sinnvoller sei, statt sich mit Elektrozäunen, Sicherheitsdiensten und Munition zu verschanzen, schon jetzt große Summen in solidarische Projekte zu investieren, die den sozialen Zusammenhalt stärken und mit Hilfe derer man als Kollektiv langfristige Probleme besser lösen könne. Die Reaktion: „They rolled their eyes at what must have sounded to them like hippy philosophy“ (Sie rollten nur die Augen nach hinten angesichts dieser – ihrer Meinung nach – Hippie-Philosophie).
Denn ihre Denkweise beinhaltet auch eine glaubensbasierte Silicon Valley Gewissheit,
dass sie eine Technologie entwickeln können,
die irgendwie die Gesetze der Physik, Ökonomie und Moral brechen wird,
um ihnen etwas noch Besseres zu bieten als eine Möglichkeit, die Welt zu retten:
ein Mittel zur Flucht vor der Apokalypse ihrer eigenen Schöpfung.
Douglas Rushkoff, „The Guardian“
Für Rushkoff war die Intention der Männer, sich auf einen „Tag X“ vorzubereiten allerdings das Erschreckendere, wie er schreibt:
„in Anlehnung an den Tesla-Gründer Elon Musk, der den Mars kolonisieren will, Peter Thiel von Palantir, der den Alterungsprozess umkehren will, oder die Entwickler künstlicher Intelligenz Sam Altman und Ray Kurzweil, die ihre Gedanken in Supercomputer hochladen wollen, bereiteten sie sich auf eine digitale Zukunft vor, die weniger damit zu tun hat, die Welt zu verbessern, als vielmehr damit, das Menschsein insgesamt zu überwinden. (…) Für sie geht es bei der Zukunft der Technologie nur um eines: die Flucht vor dem Rest von uns.“
Aktuell erschien auf „Business Insider“ ein langer, opulent bebilderter Beitrag über die unterirdischen Luxusbunker, der aus dem britischen „Guardian“ übersetzt wurde. Hier das Video dazu:
Hier sehen wir schicke Bilder und erfahren: „Wer in einem Bunker von „Vivos“ Schutz sucht, soll aber nicht vereinsamen. In ganzen Komplexen sind die Bunker angelegt, sodass sich Bewohner an gemeinschaftlichen Orten treffen können.“
Natürlich samt Wachmannschaften und Sicherheitsdienst, damit die vor Hunger, Krankheiten und Angst halbtoten, verrohten Zombies von draußen die Apokalypse nicht in das paradiesische Habitat hineintragen können und womöglich die Insassen massakrieren.
Seit dem Ausbruch der Pandemie und des Ukraine-Krieges, so ein Zitat des Bunkerbau-Unternehmens Vivos, sei die Kundennachfrage stark angestiegen. Ganz offensichtlich wurde der Artikel mit all den schicken Bildern und „verlockenden“ Beschreibungen als PR-Artikel auf den sehr wohlhabenden Teil der Business-Insider-Leserschaft zugeschnitten, denn nebenbei erfährt man, dass – laut Vivos – solche Schutzräume schon für ca. 33.000 Euro zu bekommen sind. Konkurrenz „Rising S“ fängt dagegen erst bei ca. 37.000 € an, die Bagger anzuwerfen. Eine Luxusvariante, kostet ca. 3,5 Millionen €. „Rising S“ baut allerdings auch Bunker in bestehende Häuser ein.
Irgendwie lustig ist es schon: Während die Tech-Milliardäre ganz klar von einem Zusammenbruch der digitalen Zivilisation ausgehen, kann man bei den Bunkerbauern unverdrossen „auch Räume, um Kryptowährungen zu schürfen“ bestellen.
Alles ein bisschen sehr „strange“, möchte man sagen. Und so ist auch ein Satz, den der Buchautor Douglas Rushkoff im Guardian schreibt, sehr klarsichtig:
„Niemals zuvor haben die mächtigsten Akteure unserer Gesellschaft angenommen,
dass die unmittelbaren Auswirkungen ihrer eigenen Errungenschaften
die Welt unbewohnbar für alle anderen machen würde.“
Douglas Rushkoff, „The Guardian“
Dieser Beitrag erschien zuerst auf der Seite „Die Unbestecklichen.com„