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Von Niki Vogt
Der RFID-Chip stieß schon auf wenig Begeisterung beim Bürger und wurde kaum genutzt. Jetzt sollen auch noch verpflichtend Fingerabdrücke auf jeden Perso kommen. Im Juni 2021 haben wir alle auf unserem Smartphone eine Personalausweis-App um sich zu identifizieren und auch der Führerschein wird zukünftig per Smartphone vorgezeigt werden. Schöne neue Welt. Natürlich kann das alles auch aus der Ferne verfolgt und getrackt werden. Zeit, sich eine Handyhülle zu besorgen, die das unmöglich macht. Bis genau das vielleicht dann irgendwann unter Strafe gestellt wird?
Der RFID-Chip wurde ja schon 2010 auf die Personalausweiskarten aufgebracht. Damit, so die Sprachregelung, erleichtere man dem Bürger das Leben deutlich. Mit diesem RFID-Chip kann man sich „sicher im Netz oder an Automaten ausweisen“, steht auf der entsprechenden Seite des Bundesministriums des Inneren. „Sie erledigen Ihre Behördengänge oder geschäftlichen Angelegenheiten einfach elektronisch“. Und es ist ja alles so sicher, beruhigt man das misstrauische Volk, dass zwar die DSGVO als völlig überzogenen Krampf sieht, aber dennoch sich nicht wohlfühlt, wenn alle persönlichen Daten auf dem Chip dieser Perso-Plastikkarte gespeichert sind und von außen ausgelesen werden können.
Die Bundesregierung versichert zwar: „Ihre persönlichen Daten sind dabei immer zuverlässig vor Diebstahl und Missbrauch geschützt. Das ist gerade im Internet wichtig, da hier Identitätsdiebstahl leichter als in der analogen Welt umgesetzt werden kann: Jemand verschafft sich Ihre Identifizierungsdaten, also z. B. Ihre Nutzernamen und Passwörter, nimmt Ihre Identität an und handelt in Ihrem Namen.“ und zählt die ganzen Sicherheitsfeatures auf. Aber Experten wissen, dass man das durchaus knacken kann. Einen Personalausweis in die Finger zu bekommen, die nötigen Kenntnisse, den Chip auszulesen und man hat die komplette Identität des Inhabers des Ausweises übernommen und kann sie ausnutzen. Denn mit der eID des Ausweises kann man eine rechtsverbindliche Unterschrift leisten, man kann sich damit in alle möglichen Konten einloggen, von Online Shopping bis zu Behörden und Versicherungen. Alles, was Identitätsdiebe wirklich brauchen, ist etwas Zeit. Die Chancen, dass der Bestohlene den Diebstahl ein paar Tage oder mehr als eine Woche nicht bemerkt, stehen gut.
Dabei benutzen die Bürger diese wundervollen Funktionen kaum, obwohl es seit 2017 keinen Perso mehr ohne diesen Chip gibt. Bei 25 Millionen Ausweisen ist die eID-Funktion auch aktiviert. Das Prozedere der Nutzung ist aber so umständlich, dass auch diejenigen, die es nutzen wollen, meist daran scheitern. Das Equipment, was professionelle Digital-Betrüger haben, hat kaum ein normaler Bürger: Neben der PIN braucht man nämlich eine spezielle App oder ein Lesegerät für solche Transaktionen.
Jetzt sollen auch noch die Fingerabdrücke verpflichtend auf den Perso gespeichert werden. Das dafür nötige Gesetz hat der Groko-Bundestag bereits am 5. November verabschiedet. Die AfD übte sich in Stimmenthaltung, Linke, Grüne und FDP stimmten dagegen. Die Fingerabdrücke der beiden Zeigefinger werden natürlich auch auf dem RFID-Chip gespeichert, damit eventuelle Diebe diese auch noch haben. Das wäre ja noch ein ein fataler Zufall und würde nur wenige treffen – schlimm genug. Aber Geheimdienste und Polizei haben natürlich ebenfalls ungehinderten Zugriff auf alle Daten. Und wenn die deutschen Geheimdienste das haben, sind die Daten auch sehr schnell bei CIA und Mossad.
Die, die dagegen stimmten lassen aber nicht nicht locker. „Die geplante Pflicht kommt einem Generalverdacht gegen Bürgerinnen und Bürger gleich“ und sei unverhältnismäßig, wendet die Bürgerrechtsorganisation „Digitalcourage“ gegen das Vorhaben in einem Gutachten für den Bundestag ein. Dort soll der Gesetzentwurf demnächst erneut diskutiert werden. Außerdem können die neuen, automatisiert lesbaren Fotos (denn man kann jetzt nicht mehr mit Fotografen oder Passbild-Automatenfotos ankommen, außer der Fotograf hat eine gesicherte Datenleitung zur Meldebehörde) von verschiedenen Gesichtserkennungs-Programmen identifiziert werden und ohne, dass man es ahnt, wird man identifiziert und irgendwelchen Vorgängen zugeordnet, wovon man nicht die leiseste Ahnung hat. Genau das moniert auch der ehemalige Landesdatenschutzbeauftragte Thilo Weichert in seinem Gutachten. Er bewertet die Verpflichtung, die Fingerabdrücke auf dem Ausweis speichern zu lassen, als einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte.
Das alles hat nichts genützt, der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzesentwurf wurde am 6. November vom Bundestag verabschiedet, egal, was das für die Bürger bedeutet.
Einen sehr ähnlichen Weg geht zur Zeit der Führerschein. Auch hier wird Jubel über diesen großartigen Fortschritt verbreitet, Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer kann sich vor Freude gar nicht beruhigen:
„Die EU-Kommission hat sich gestern auf der informellen Tagung der europäischen Verkehrsminister klar zum digitalen Führerschein bekannt. Norwegen hat ihn schon. Auch Deutschland wird mitmachen. Über diesen praktischen Fortschritt freue ich mich sehr, denn er führt den Menschen die Vorteile der Digitalisierung klar vor Augen. Wir haben das Thema diskutiert. Die Zukunft sollte papierlos sein.“ Seine Begeisterung, wie sollte es auch anders sein, teilen die anderen Apparatschiks der EU auch. „Digitale EU“ ist klasse. Die EU-Verkehrsminister trafen sich Corona- und digitalgerecht, wie die Zukunft nunmal wird, per Videoschalte und berieten sich „informell“. Die Ergebnisse kann man in der „Passauer Erklärung“ nachlesen. In angesagter Digi-Society-Werbesprache steht darüber:
– Smart Deal for Mobility –
mit Digitalisierung die Mobilität der Zukunft gestalten –
nachhaltig, sicher und effizient
Und dann im schönsten Orwell-Sprech:
„In unserer Vision der Mobilität für Europa stehen der Mensch und seine Bedürfnisse im Mittelpunkt. Unsere Mobilität sollte die Umwelt, das Klima, die menschliche Gesundheit und das Wohlbefinden sowie die natürlichen Ressourcen respektieren. Das bedeutet, die Notwendigkeit von Reisen und Gütertransporten zu reduzieren, indem mehr digital unterstützte Aktivitäten und das Arbeiten von zu Hause aus gefördert und die digitalen Potenziale der Mobilität voll ausgeschöpft werden.
- Für die Mobilität der Menschen bedeutet dies, dass ihre Privatsphäre gewahrt und geschützt und durch den integrativen Zugang niemand zurückgelassen wird.
- Für die Mobilität von Gütern und Menschen brauchen wir Lösungen, um sicherzustellen, dass keine ländlichen Gebiete oder Randregionen unterversorgt sind.
- Für die Mobilität von Daten muss der freie Informationsfluss, der eine nahtlose Interoperabilität als Grundlage innovativer Anwendungen ermöglicht, gewährleistet werden, ohne die Werte und Interessen der breiteren Gesellschaft zu gefährden, da private Akteure eine zentrale Rolle bei der Nutzung der Wertschöpfungskette von Daten spielen werden.
Im oberen Absatz steht es schon: Reisen und Gütertransporte werden reduziert. Nix mehr mit Freizügigkeit und jeder darf fahren und reisen, wann und wohin er will. Auch nicht liefern und abholen. Wegen des Klimas. Auch in Zukunft soll das Homeoffice die Normalität sein. Und wer noch herumfahren darf, das kann man problemlos mit dem Auslesen der digitalen Daten überprüfen.
Erster Punkt bedeutet, wenn man das Schönsprech weglässt und nur herausfiltert, was „integrativer Zugang“ heißt: Dass Jeder muss das mitmachen, ansonsten ist er nicht „integriert“, also ein Außenseiter, der an vielem nicht teilnehmen darf. Angeblich kann kein Fremder an die Daten, aber die Behörden wissen jederzeit, wer da herumfährt, von wo nach wo und warum.
Zweiter Punkt: Man ist sich darüber im Klaren, dass das für die ländlichen Gebiete ein Problem werden wird. Wenn jeder fahren darf , wann und wohin er will, wäre das nämlich kein Problem. Ich wohne auf dem tiefsten Land und bisher haben wir kein Problem. Es wird also eins kommen, weil man mit den Fahrmöglichkeiten und -berechtigungen restriktiver umgehen wird. Und weil die alten Leute oder diejenigen, die keinen Führerschein haben keine Digitalisierung wollen oder kein Smartphone haben, kaum noch Möglichkeiten haben, ihre Besorgungen zu machen.
Dritter Punkt: Interessanterweise werden „private Akteure“ die zentrale Rolle bei der Nutzung der Wertschöpfungskette von Daten spielen. Guten Morgen, lieber deutscher Michel und italienischer Luigi und wer noch alles in Europa lebt. Die großen Konzerne werden unsere Daten bekommen. Alles. Und sie werden die Macht darüber haben, was man wann wo kaufen darf. Wie bezahlt werden kann. Wer überhaupt wieviel der knapper werdenden Güter zugeteilt bekommt. Und sie werden direkt von Deinem Konto abbuchen.
Und wie wird die „schöne, neue Welt“ im Orwellsprech aussehen?
„In unserer Vision der Mobilität für Europa wird es eine deutliche Verringerung der durch Lärm, Schadstoffe, Treibhausgasemissionen oder Staus verursachten Schäden geben – insbesondere in städtischen Gebieten. Digitale Interaktion und verlässlichere Reisezeiten durch Navigationsdienste werden die Vereinbarkeit von Berufs-, Privat-und Familienleben erleichtern – insbesondere in ländlichen Gebieten.“
Heißt „verlässlichere Reisezeiten durch Navigationsdienste“, dass man fast ausschließlich öffentliche Verkehrsmittel nutzen muss? Oder wenn man auf seinem moralisch verwerflichen Individualverkehr besteht, eine Fahrt vorher beantragen oder anmelden muss und eine Fahrtzeit genehmigt oder zugewiesen bekommt? Also alles in allem wirklich ein dauerhafter „Lockdown light“, wie es aussieht. Geht ganz ohne Corona. Aber wir haben es dann schon mal geübt, wie es ist, sich seiner Freiheitsberaubung zu unterwerfen. Gelernt ist gelernt.
Zur Zeit wertet die EU-Kommission die „EU-Führerscheinrichtlinie“ aus und wird Änderungen einbringen, sofern sie nach ihrer Sicht notwendig sind. Am Ende soll es ein rein digitaler Führerschein sein.
Also immer schön Das Smartphone vollgeladen dabei haben und ein Ladegerät samt Kabel im Auto. Ein Handy mit leerem Akku bedeutet „kein Führerschein“ und daher ist dann wahrscheinlich ein leeres Akku bald eine mit Geldstrafe bewehrte Ordnungswidrigkeit. Immerhin werden viele Technikbegeisterte auch einsehen, dass die Nachteile der Digitalisierung auch nicht von der Hand zu weisen sind. Für alte Menschen, die noch völlig analog leben, wird es eng.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf der Webseite dieUnbestechlichen.com.