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von Niki Vogt
Die jeweiligen Verschwörungstheorien weisen seit einigen Jahren einen verblüffend stringenten Trend auf, sich nacheinander als Wahrheit zu bestätigen. Die Verantwortung für die Explosionen an der Nordstream 2-Gasleitungen wurde schon sehr früh bei den USA verortet, die Indizienkette war recht überzeugend. Aber wurde natürlich alles als barer Unsinn abqualifiziert. Bis nun vor kurzem die Journalistenlegende Seymour Hersh die ganze Sache aufdeckte und mit Tatsachen unterfütterte. Seymour Hersh ist nicht irgendein Spinner.
1969 erlangte er erstmals Anerkennung für die Aufdeckung des Massakers von My Lai während des Vietnamkriegs und dessen Vertuschung, wofür er 1970 den Pulitzer-Preis für internationale Berichterstattung erhielt. In den 1970er Jahren berichtete Hersh für die „New York Times“ über den Watergate-Skandal und deckte die geheime Bombardierung Kambodschas auf. Im Jahr 2004 berichtete er über die Misshandlung von Insassen des Abu Ghraib-Gefängnisses durch das US-Militär. Er gewann auch zwei „National Magazine Awards“ und fünf „George Polk Awards“. 2004 erhielt er den „George Orwell Award“.
Hersh hatte außerdem der Obama-Regierung vorgeworfen, über die Ereignisse rund um den Tod von Osama bin Laden gelogen zu haben, und bestritt Vorwürfe, dass das Assad-Regime im syrischen Bürgerkrieg chemische Waffen gegen Zivilisten eingesetzt habe.
Trotz preisgekrönter Berichte, höchstem Respekt seit Jahrzehnten, mutigen Recherchen und einem tadellosen Ruf – bis eben zu der Aufdeckung des Nordstream 2-Attentats – mutierte er über Nacht zum Aluhut und verrückten Verschwörungstheoretiker.
Seymour Hersh, der Pulitzer-Preisträger und gefeierte Aufdeckungs-Journalist hatte eine Quelle direkt aus der Umgebung der Attentäter in der Sache Nordstream 2. Er unterlegt die These, dass die USA und Norwegen hinter den Nord-Stream-Sprengungen stecken. Das haben wir kleinen Internetdetektive schon sehr schnell gewittert und die Fakten zusammengetragen.
Nun wurde eine Videoanimation veröffentlicht die den Ablauf – entlang der von Mr. Hersh recherchierten und erhaltenen Informationen – optisch umgesetzt hat:
Demnach sollen US-Marinetaucher im vergangenen Juni den Plan umgesetzt haben, den man in Washington gefasst hatte. Die Erdgas Pipelines waren den USA immer ein Dorn im Auge, lieferten sie doch gerade Deutschland, der wirtschaftlichen Lokomotive Europas billige Energie und brachte sie doch Deutschland und Russland einander fast schon freundschaftlich näher. Eine Entwicklung, die schon George Friedman auf dem Chicago Council 2012 als die einzige echte Gefahr für die Weltmacht USA ausmachte.
Das wäre schon mal Haken dran an das Motiv, was hinter dem ganzen Hickhack um die Gaspipelines wirkt: Eine Deutsch-Russische-Achse muss um jeden Preis verhindert werden, insbesondere angesichts des chinesischen Neue Seidenstraßen-Projekts, das drei Kontinente, nämlich Asien Afrika und Europa zu einer Wirtschaftszone verbinden würde. Und die USA vollkommen abhängen könnte.
Die direkte Route, die jegliche Notwendigkeit, die Ukraine zu durchqueren, umgangen hatte, war ein Segen für die deutsche Wirtschaft gewesen, die über eine Fülle von billigem russischem Erdgas verfügte – genug, um ihre Fabriken zu betreiben und ihre Häuser zu heizen, gleichzeitig konnten die deutschen Händler überschüssiges Gas mit Gewinn in ganz Westeuropa verkaufen. (…)
Von Anfang an wurde Nord Stream 1 von Washington und seinen antirussischen NATO-Partnern als Bedrohung der westlichen Dominanz angesehen. Die Holdinggesellschaft dahinter, die Nord Stream AG Nord Stream AG, wurde 2005 in der Schweiz in Partnerschaft mit Gazprom gegründet, einem börsennotierten russischen Unternehmen, das enorme Gewinne für die Aktionäre produziert und von Oligarchen dominiert wird, von denen bekannt ist, dass sie im Bann Putins stehen. Gazprom kontrollierte 51 Prozent des Unternehmens. (…)Die Gewinne von Gazprom wurden mit der russischen Regierung geteilt, und die staatlichen Gas- und Öleinnahmen wurden in einigen Jahren auf bis zu 45% des Jahreshaushalts Russland geschätzt. (…) Amerikas politische Befürchtungen waren real: Putin hätte jetzt eine zusätzliche und dringend benötigte Haupteinnahmequelle, und Deutschland und der Rest Westeuropas würden abhängig von billigem Erdgas aus Russland werden – während die Abhängigkeit Europas von Amerika abnehmen würde. Tatsächlich ist genau das passiert.“
Die Zweite Pipeline hätte Deutschland noch weiter nach vorne gebracht, die Wirtschaft angekurbelt und 50% des Jahresverbrauch des Industriestandortes decken können. Schon am Tag vor Präsident Bidens Amtseinführung im Januar 2021, so schreibt Seymour Hersh, wurde die Gefahr der zweiten russischen Pipeline aggressiv angegangen. Dieses Projekt müsse unter allen Umständen gestoppt werden. Und das wurde es ja auch.
Wie gesagt, schon gleich nach dem Anschlag war das Motiv eigentlich klar, und es gab auch genügend „smoking guns“.
Nun kann die US -Regierung nicht allzu offen sagen, dass sie diese Pipeline zerstört hat. Das könnte Zweifel an der Freundschaft und Loyalität der USA zu ihren Verbündeten wecken. Letztendlich hat der US-Präsident Joe Biden es aber schon sehr deutlich gemacht:
Pres. Biden: "If Russia invades…then there will be no longer a Nord Stream 2. We will bring an end to it."
Reporter: "But how will you do that, exactly, since…the project is in Germany's control?"
Biden: "I promise you, we will be able to do that." https://t.co/uruQ4F4zM9 pic.twitter.com/4ksDaaU0YC
— ABC News (@ABC) February 7, 2022
Tja, und da hat er eben nicht nur angegeben. Der Verdacht war sofort auf dem Tisch. Niemand außer ein paar unverdrossen gutgläubige Putinhasser konnte die „der Russe war’s“-These glauben. Wie in meinem Artikel (oben) dargelegt, war die Indizienkette gegen unseren Freund und Helfer USA ziemlich dicht.
Seymour Hersh beruft sich bei dem Bericht, wie die Operation geplant wurde, auf eine Quelle „mit direkter Kenntnis der Planung der Operation“. So sollen die Vorbereitungen dazu schon zwei Monate vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar begonnen haben. Eine spezielle Taskforce unter Leitung des Nationalen Sicherheitsberaters Jake Sullivan und des US-Generalstabes, natürlich der CIA und des Department of Foreign Policy spielte die Möglichkeiten durch, wie man die Pipeline zerstören könne. Natürlich unter Verwischung der Spuren, denn die USA dürfen nie als die Bösen dastehen. Man kam schnell darauf, die Skandinavier zu involvieren, da sie über die besten Kenntnisse der Gegebenheiten der Ostsee verfügen. Die Ostsee ist eines der militärisch am engmaschigsten überwachten Gewässer der Welt. Die norwegische Marine und der norwegische Geheimdienst wurden in die ganze Aktion eingebunden. Die Marine legte den geeignesten Ort für den Anschlag fest. Sie waren in die Tarnung und Anbringung des Sprengstoffs eingebunden, bestanden aber darauf, dass Dänemark und Schweden zumindest grob über den Plan unterrichtet wurde, damit dieser nicht versehentlich gefährdet wurde oder eines der Länder sich um Aufklärung bemühen würde. Deutschland als Betroffener wurde natürlich nicht eingeweiht. Schweden ermittelte zwar, hat aber seine Ermittlungen komplett geheim gehalten.
Nach Darstellung des preisgekrönten, standfesten Journalisten Seymour Hersh (er bleibt bei seinen Behauptungen und rückt die Identität seiner Informanten nicht heraus), handelt es sich also um einen Sabotageakt der US-Regierung gegen eine deutsch-russische Zusammenarbeit. Die erteilte den Befehl zu einer verdeckten Operation, bei der Sprengsätze an den Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 angebracht wurden.
Das gemeinsame Marinemanöver BALTOPS 2022 unter US-Führung war die nötige Kulisse, unter der der Anschlag durchgeführt wurde. Die USA, Dänemark, Schweden und Norwegen wussten, was da unten an den Pipelines geschehen würde, die ebenfalls teilnehmende Bundeswehr nicht. Die Tauchgänge wurden als „Erprobung neuer Hightech-Technologien zur Vergrößerung der Reichweite von Unterwasserdrohnen“ etikettiert. Laut der Manöverbeschreibung der NATO auf deren eigener Seite, wurden sogar Übungssprengsätze gelegt, die die Marinetaucher dann zu entfernen hatten. Die Bühne war perfekt bereitet.
Die nun veröffentlichte Animation (siehe Video) stellt die genaue Timeline des Anschlags dar. Im März 2022 – mehr als 190 Tage vor der Explosion – soll laut Hersh der Nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, bereits einige Mitglieder nach Norwegen geschickt haben, um mit dem norwegischen Geheimdienst die Sprengung zu planen.
Wie im Video berichtet, erreichte am 2. Juni 2022 – 116 Tage vor der Sprengung – legte ein US-Kriegsschiff in Stockholm für die Militärübung Baltops 22 an. Dieses multinationale Manöver, das seit 1971 jährlich in der Ostsee stattfindet war eine geeignete Kulisse. Bei der 13-tägigen Übung wurden Taucherteams der NATO dazu eingesetzt, See-Minen aufzuspüren und zu entschärfen, die um die Insel Bornholm verlegt waren. Um diese Minen aufzuspüren wurden die neueste Unterwassertechnologien eingesetzt.
Laut Seymour Hersh will von seinen Kontakten erfahre haben, dass ein norwegisches Militärflugzeug und See-Fernaufklärer am Tag des Anschlag aufgestiegen ist und scheinbar zu einem Überwachungsflug über die Übungsregion geflogen. Dabei warf der Flieger gezielt eine Sonarboje ab. Nur wenige Stunden darauf explodierte die Sprengstoffladung an der Pipeline, wie Seymour Hersh schreibt. Es soll sich um einen C4 -Sprengstoff gehandelt haben. Laut Seymour Hersh ist der Zünder des Sprengsatzes über diese Sonarboje aktiviert worden.
Jetzt scheren auch einige sehr angesehene Medien aus der geschlossenen Phalanx aus. Die altehrwürdige, britische Times berichtet über die Enthüllungen Seymour Hershs sehr objektiv. Sogar der ehemalige BND-Chef August Hanning wird zitiert, der ebenfalls die Tätergruppe aufgrund ihrer starken Motive verdächtigt: Ukraine, Polen, Großbritannien und vor allem die USA profitieren als die Einzigen davon und zwar sehr stark. Aber auch in den USA gaben zwei führende Medien zu bedenken, dass es keine Hinweise auf eine russische Täterschaft gebe, dafür wisse man aber von Quellen aus Regierungskreisen, dass es ein Anschlag unter der Führung der USA gewesen sei.
In Deutschland, dem bis zum Selbstmord braven Vasallen der USA, wird der Bericht Seymour Hershs natürlich als Verschwörungstheorie abgetan. Obwohl den deutschen Leitmedien ihre Regierungslautsprecherfunktion in der in der Coronakrise mit Impfterror und schädlichen Eindämmungsmaßnahmen gerade krachend um die Ohren fliegt, wiederholen viele das Ganze wider besseren Wissens nun mit Nordstream 2. Man versucht nun krampfhaft, Seymour Hersh als Spinner und unseriös darzustellen und orakelt an „Ungereimtheiten“ herum. Ganz vornedran natürlich die „tagesschau“, die ihre eigenen „Faktenfinder“ mal wieder ins Feuer schickt. Sobald man die als Verfasser sieht, weiß man schon, dass die Abteilung „Tarnen, Täuschen & Verpissen“ wieder was zusammengschustert hat. Ganz tolles Argument: Dass Seymour Hersh – hahaha – schon wissen will, wer hinter der Explosion steckt, während die offiziellen Ermittlungen zu diesem Anschlag noch laufen. Nun, Herr Siggelkow, wenn die Ermittlungen so gründlich und gewissenhaft geführt werden, wie die zu MH17, dann werden wir das in Jahren noch nicht wissen – und auch dann, wenn ein Ergebnis herausgegeben wird, genauso dumm dastehen wie vorher, weil man dran fühlen kann, dass es hinten und vorn nicht stimmt. (Immerhin bemerkt Kollege Jan Schneider vom ZDF, dass merkwürdigerweise fünf Monate nach der Explosion immer noch kein Ergebnis vorliegt.)
Besonders peinlich: Herr Siggelkow hat sich mit einem simplen und dummen Übersetzungsfehler ziemlich blamiert. Seymour Hersh schreib von „… (to) plant shaped C4 charges“ und der Faktenfinder Siggelkow schloss daraus, dass der benutzte Sprengstoff „pflanzenförmig“ gewesen sei. „the plant“ ist zwar eine Pflanze, aber „to plant“ bedeutet „platzieren, anbringen“. Im Original:
„(to) plant shaped C4 charges on the four pipelines“
Die korrekte Übersetzung dafür lautet:
„(…) um C4-Hohlladungen an den vier Gasleitungen anzubringen“
Der Fehler passierte aber nicht nebenbei, sondern diente Herrn Siggelkow dazu, die Unsinnigkeit der Behauptungen Seymour Hershs plakativ zu illustrieren. Darauf verwendete er ein ganzes Unterthema, das die Frage abhandelte, wie üblich es denn sei, pflanzenförmigen Sprengstoff einzusetzen. Der eigens befragte Sprengstoffexperte David Domjahn, Lehrbeauftragter für Sprengtechnik am Karlsruher Institut für Technologie, sollte seine Einschätzung in der Sache „Pflanzen-Sprengstoff“ einbringen. Der versicherte dann der ARD: Die These, der Sprengstoff sei in Pflanzenform angebracht worden, sei „abenteuerlich“.
ARD-"Faktenfinder"🤡 und Fremdsprachen 🤯https://t.co/qJxzKumN4z pic.twitter.com/lV1MCGyzCa
— Rudi Neumaier (@swiss_lol) February 24, 2023
Herr Domjahn meinte, dass sich „eventuell zwar „dicke Baumwurzeln“ mit plastischem Sprengstoff modulieren ließen, das bei der „Nachbildung filigraner Strukturen wie zum Beispiel Seegras“ allerdings schwierig sei. Herr Siggelkow hätte doch mal stutzig werden müssen, dass da irgendwas schief laufen muss, wenn man so eine Expertenmeinung hört. Da überprüft man eben doch mal diesen Abschnitt. Hätte er diesen Satz einfach mal in Google Translate eingegeben, dann wäre ihm diese epochale Blamage erspart geblieben:
Es ist mal wieder eine der eklatanten Missgriffe der sogenannten Faktenfinder, die man besser „Ausredenerfinder“ nennen sollte. Das kommt davon, wenn man sich hochnäsig im Besitze der „Wahrheit“ wähnt, aber eigentlich nur auf Teufel-komm-raus etwas in die Spinner-Ecke manövrieren muss, weil das der Auftrag des Brötchengebers ist.