Man kann es nicht mehr bestreiten: Bachmut ist gefallen – ukrainische Soldaten und Bewohner fliehen panisch

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von Niki Vogt

Panische Flucht aus Bachmut

Im Internet gibt es Video aus einem Fahrzeug der ukrainischen Einheit „Kholodnyi Yar“ (kaltes Jahr) die panisch und in Todesangst aus Bachmut flieht. Auf dem Armaturenbrett des Fluchtwagens sieht man die ukrainische Flagge. Der Ton in der Sprache verrät große Angst und während der Fahrer (rechts) so aufgeregt redet, schießt sein Beifahrer aus dem Fenster. Wohin und auf wen ist nicht zu zu sehen.

Bakhmut. The work of the 93rd Mechanized Brigade „Kholodnyi Yar“, after completing the task, the goal is to survive.

Das wichtigste Ziel sei nun, zu überleben sagt der englische Text darüber, nachdem die mechanisierte 93 Brigade „Kaltes Jahr“ ihre Aufgabe erfüllt habe:

Das Video samt der ganzen Umgebung ist offenbar echt.

Seit Wochen heißt es, Bachmut sei größtenteils in ukrainischer Hand, von russischer Seite hieß es, es sei bis auf einen kleinen Rest in russischer Hand. Ganz offensichtlich haben „Wir im Westen“ wieder einmal bis zur letzten Sekunde geschönte Nachrichten bekommen. Bachmut ist ein Wendepunkt und hat viele Ähnlichkeiten mit Stalingrad im Zweiten Weltkrieg.

Bereits am 21. Mai verkündete der Anführer der Wagner-Gruppe, Jewgeni Prigoschin, den Fall Bachmuts:

Prigoschin verkündete von der Volksrepublik Donezk aus:

„Heute (…) Bachmut ist komplett besetzt… Ich möchte dem russischen Volk danken, das uns unterstützt hat.“

Außerdem dankte er Putin, kritisierte aber den russischen Verteidigungsminister Schoigu und Generalstabschef Gerassimow:

„Aufgrund ihrer Launen starben fünfmal mehr unserer Söhne, als hätten sterben sollen. Sie arbeiteten gegen uns und unterstützten praktisch den Feind in dieser Angelegenheit“.

Prigoschin kündigte dann an, sich ab dem 25. Mai mit seinen Truppen zurückzuziehen und die Stadt in russische Kontrolle zu übergeben. Der Söldnerführer zeigte Respekt für die ukrainischen Soldaten und lobte ihren Kampfgeist und ihre Tapferkeit. Sein Lob richtete er an den ukrainischen Präsidenten Selenskij:

„Ohne Sarkasmus: Eure Söhne haben tapfer gekämpft, gut gekämpft. Wenn Sie auf diesem Weg bleiben, können Sie die zweitbeste Armee der Welt nach der stärksten, der Privatarmee Wagner, werden. Wenn Sie Biden treffen, küssen Sie ihn in den Nacken und grüßen Sie von mir. Danke“. (meduzia)

Die Russen sicherten seit Anfang April bereits ihre besetzten Gebiete.

Lange wurde „die große, ukrainische Frühjahrsoffensive“ mit hoch gespannten Erwartungen angekündigt. Die Ukrainische Armee soll noch einmal mit Gerät und Munition stark unterstützt worden sein und es sollte eine gewaltige Angriffswelle gegen Russland rollen. Die Russen hatten das auch erwartet und einen riesigen Abwehrwall mit Schützengraben gebaut.

Sie sollen siebzig Kilometer Schützengräben im von ihnen etablierten Oblast Saporischschja ausgehoben haben – wie der Kyiv Independent unter Berufung auf das ukrainische „Zentrum für journalistische Untersuchung“ berichtet. Der lange Graben wurde von einem Sentinel-2-Satelliten erfasst. Die Schützengräben ziehen sich von der durch die Russen gehaltenen) Stadt Melitopol (Oblast Saporischschja) bis zum Dorf Marniwka in der Oblast Donezk.

Russland soll dafür eine große Anzahl zentralasiatischer Arbeiterarmeen beschäftigt haben, und bereits im September mit dem Ausheben dieses Grabens und dem umfangreichen Bau von befestigten Stellungen begonnen haben. Darauf deuten verschiedene fotografische Beweise hin.

Den größten Teil des Gebiets Saporischschja eroberte Russland in der ersten Phase des Krieges ‑ durchaus mit Erfolg: Denn die Frontlinie in diesem Gebiet ist die am statischsten in der Ukraine – aufgrund ihrer riesigen, flachen, offenen Felder, die groß angelegte Offensiven erschweren.

„Unternehmen Barbarossa reloaded“? – mit gleichem Ausgang?

Mitte April unternahmen die ukrainischen Truppen einen Panzerangriff auf die russischen Truppen, und auch hier fallen die Ähnlichkeiten auf mit dem Herbstangriff der deutschen Wehrmacht  „Unternehmen Barbarossa“ im Jahr 1941 vor Moskau auf. Auch damals war der Schlamm und die Weite des Landes ein unüberwindliches Hindernis beim Vormarsch. Sie mussten pausieren, was sie den Sieg kostete. Der Angriff vor Moskau ertrank im Schlamm. Die Operation Barbarossa scheiterte im Dezember unter schrecklichen Verlusten.

Ich zitiere aus einem Text des Deutschen Historischen Museums, der sich mit der Winteroffensive 43/44, in den Kämpfen zwischen Don und Dnepr also zwei Jahre später, befasste:

Die sowjetischen Erfolge während der Winteroffensive von 1943/44 setzten sich für die Rote Armee auch in der Anfang März 1944 begonnenen Frühjahrsoffensive fort. Auf einer Breite von 800 Kilometern mussten sich die östlich des Dnestr stehenden deutschen Heeresgruppen Süd und A entgegen fanatischen Durchhaltebefehlen von Adolf Hitler zurückziehen. Aufgrund der einsetzenden Schlammperiode gestaltete sich der von den Generalfeldmarschällen Erich von Manstein und Ewald von Kleist angeordnete Rückzug äußerst problematisch. Panzer und Lastkraftwagen blieben tagsüber im aufgeweichten und halbaufgetauten Boden stecken, nachts froren sie in der Erde fest. Mit den durch breite Ketten im Schlamm und Schnee beweglicheren T-34-Panzern vollzog sich der sowjetische Vormarsch schneller als der deutsche Rückzug. Wiederholt kesselten sowjetische Verbände deutsche Einheiten ein oder rieben sie auf.

Ich bin kein Militärfachmann … aber das kann doch nicht in Vergessenheit geraten? Dasselbe geschah im April den ukrainischen Truppen. Eine Offensive mit Panzern hätte man machen müssen, solange der Boden gefroren war. Die Bilder sind sich unglaublich ähnlich. Hier ein Video aus dem April von der Front in der Ukraine:

Die Wehrmacht in Süd-Russland, Raupenschlepper mit Geschütz im Schlamm (Bundesarchiv, Bild 101I-023-3496-29, Wolff, Paul / CC-BY-SA 3.0)

Aus der Geschichte nichts gelernt

Der Siegeszug des deutschen Nationalsozialismus schien von 1933 bis Oktober 1941 unaufhaltbar. Berauscht von den Erfolgen der „Blitzkriege“ verbreitete sich vorschnell die Siegesmeldung, dass der Feldzug bereits gewonnen sei. Diese voreilige Rechnung hatte man freilich ohne die Kenntnis der russischen Mentalität und den geostrategisch-klimatischen Bedingungen der Weiten Russlands gemacht.
Der Tiefe des Raumes, der 5. Jahreszeit Russlands, der sogenannten Rasputiza (russisch: „Wegelosigkeit“ ) und – dem Warten-Können: Der russische Herbstregen ließ die deutsche Offensive schon schnell im Schlamm versinken. „Rasputiza“ beendete Hitlers Blitzkrieg beim „Unternehmen Barbarossa“ und jetzt auch die ukrainische Offensive – wenn es sie je in größerem Ausmaß gegeben haben sollte.
Kleiner Exkurs:
Selbst Napoleon, der mit einer über 500.000 Mann starken Armee gegen Russland zog, kehrte geschlagen und mit einem Resthäufchen heruntergekommener Zerlumpter wieder heim. Die Deutschen, die das „Franzenheer“ durchziehen sehen, dichteten ein Lied darauf. Sie sahen die verheerende Niederlage Napoleons als eine Art „Gottesgericht“.

Hier der Text des Liedes, das ich auf Youtube gefunden habe.
Refrain:
Mit Mann und Ross und Wagen, so hat sie Gott geschlagen!
Es irrt durch Schnee und Wald umher, das große, mächt’ge Franzosenheer.
Der Kaiser auf der Flucht, Soldaten ohne Zucht.
Jäger ohn’ Gewehr, Kaiser ohne Heer.
Heer ohne Kaiser, Wildnis ohne Weiser.
Trommler ohne Trommelstock, Kürassier im Weiberrock,
Ritter ohne Schwert, Reiter ohne Pferd.
Fähnrich ohne Fahn’, Flinten ohne Hahn,
Büchsen ohne Schuß, Fußvolk ohne Fuß.
Feldherrn ohne Witz, Stückleut’ ohn’ Geschütz,
Flüchter ohne Schuh’, Nirgend Rast und Ruh’.
Speiser ohne Brot, Aller Orten Not,
Wagen ohne Rad, Alles müd’ und matt.

Das Eingeständnis, dass Bachmut verloren ist, durfte nicht gesagt werden

Bereits am 21. Mai, 224 Tage nach Beginn der Belagerung von Bachmut, verkündete der Chef der Wagner-Gruppe, Jewgeni Prigoschin, die Einnahme der strategisch und symbolisch sehr wichtigen Stadt – fast auf den Tag zum ersten Jahrestag des Falls von Mariupol.

Prigoschin kündigte dann an, sich ab dem 25. Mai mit seinen Truppen zurückzuziehen und die Stadt in russische Kontrolle zu übergeben.

Es soll übrigens laut der Washington Post eine Warnung der US-Regierung an die Ukraine gegeben haben, dass sie Bachmut oder ukrainisch „Artjomowsk“ nicht würden halten können: Die US-Regierung warnte die Regierung in Kiew, dass die ukrainischen Streitkräfte nicht in der Lage sein würden, die Stadt zu halten, und riet dazu, ihre Truppen aus der Stadt abzuziehen – berichtete die „Washington Post“ unter Berufung auf durchgesickerte Geheimdokumente. Offiziell wurde dauernd dementiert, dass Bachmut eigentlich bereits damals schon verloren war.
Laut „Washingon Post“ erging die Warnung an Kiew bereits  im Januar: Russische Truppen hätten schon einen Kessel um Bachmut vorbereitet. Laut dem „streng geheimen“ Dokument habe Russlands anhaltender Vormarsch seit November „die Fähigkeit der Ukraine, die Stadt zu halten, beeinträchtigt.“ Womit die ukrainischen Streitkräfte wahrscheinlich „in Gefahr“ geraten, „eingekreist zu werden, wenn sie sich nicht innerhalb des nächsten Monats zurückziehen“.
Welch ein sinnloses Sterben. Was für eine sinnlose Verwüstung. Wieder eine Parallele zu Stalingrad.

Der Vormarsch der russischen Armee während den letzten zwei Monate auf Bachmut, sowie die fast vollständig Einnahme der Stadt ist auf einem Video dokumentiert. Diese animierte Karte stammt von Mitte Januar, etwa zu der Zeit, als die Russen Soledar eroberten.

 

Wagner-Führer Prigoschin wandte sich an Wandte sich an den ukrainische Präsidenten Wolodymyr Selenskij: 

„Russische Streitkräfte haben Bachmut effektiv umzingelt. Gebt Kinder und Alte frei! (…) Bisher haben wir gegen die ukrainische Berufsarmee gekämpft, heute sind nur noch alte Menschen und Kinder übrig. Gebt ihnen eine Chance, die Stadt zu verlassen!“

Der Söldnerführer sprach vom Dach eines hohen Gebäudes, vermutlich vom Stadtrand von Bachmut. Neben ihm stehen angebliche Kriegsgefangene, zwei junge Soldaten und ein alter Mann. Die Gefangenen bitten darum, nach Hause gehen zu dürfen.

Aber nein, es wurde bis vor zwei Tagen weiter gekämpft. Um was? Eine restlos zerbombte und zertrümmerte Stadt?

Die Kiewer Regierung zieht schon Kinder und Opas

Worüber wir auch ein falsches Bild in den Medien gezeigt bekommen ist die Tatsache, dass es schlicht kaum noch neue ukrainische Soldaten gibt. Es werden bereits halbe Kinder und Männer über Mitte sechzig noch eingezogen. Die Kindersoldaten sind teils Freiwillige, die der Propaganda zum Opfergefallen sind und als schlecht Ausgebildete an die Front geworfen werden. Die  von den USA ausgebildeten militärischen Führungskräfte sind – laut Washington Post – alles verwundet oder tot.

Die Kommandeure der ukrainischen Armee sind teilweise korrupt, die Ausbildung eine Katastrophe, die Verluste grauenhaft

Laut Angaben der Soldaten kassieren ihre Kommandeure den Sold der Gefallener, während kaum mehr jemand aus dem Bataillon am Leben ist – wie ua-reporter.com berichtet.

Die Soldaten wurden angeblich zur Verteidigung von Bachmut, und zwar ohne jegliche militärische Vorbereitung und Bewaffnung, eingesetzt. Auf einem Video bringen die Soldaten (des 127. Bataillons der 228. Brigade der im Oblast Charkiw gebildeten Einheit) ihr kollektives Misstrauen gegenüber ihre korrupten Kommandeure zum Ausdruck.

Unvorbereitet und unter falschen Informationen sollen sie zum „Fleischwolf Bachmut“ verlegt worden sein. Die Verluste waren unglaublich hoch. So wären sie weder mit richtigen Waffen noch Ausrüstung ausgestattet worden: Panzerfahrer mussten als Infanteristen kämpfen.

Auch die Größe des Bataillons sei komplett erlogen, weil bereits gefallene Soldaten in die Liste aufgenommen wurden, um eine höhere Truppenstärke vorzugaukeln. Das Bataillon bestehe tatsächlich nur noch aus 20 bis 30 Soldaten. Den Sold für die bereits gefallenen Kameraden sollen ihre korrupten Kommandeure in die eigene Tasche gesteckt haben. Einschließlich den Sold der noch Lebenden, der diesen seit Januar vorenthalten wurde.

Hier ist die Botschaft der verzweifelten Soldaten an die Welt:

Das Leid ist unermesslich auf beiden Seiten. Russland kann und wird nicht besiegt werden. Im Februar 2022 soll der ukrainische Präsident Wolodymir Selenskij bei seinen Verhandlungen mit Putin schon so weit gekommen sein, dass die Donbass-Volksrepubliken Donetzk und Lugansk zukünftig in Ruhe gelassen werden würden, vielleicht sogar zur Russischen Föderation votieren können, Russland sich zurückzieht und die Ukraine neutral bleibt. Das sagte auch Sahra Wagenknecht auf ihrer großen Friedensdemo zusammen mit Alice Schwarzer. Die Menschen in den beiden Volksrepubliken sind ja sowieso fast alle russischstämmig. Es wäre eine kluge Lösung gewesen und eine dauerhafte. Aber damals soll Washington ein entschiedenes Veto eingelegt haben.